Das Ötztal und seine Bewohner – die Tierärztin Selina Kasper

16. September 2022 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , ,

Unser Weg führt uns wieder einmal in die Alpen. Ein beliebtes Urlaubsziel und egal, wo man hinkommt, der touristische Schwerpunkt liegt auf den Sommermonaten bzw. im Wintersport. Als Tourist möchte man in seinem Urlaubsgebiet angekommen und sich erholen. Maximal möchte man sich über die Verpflegung, die nächste Tour oder auch die nächste Abfahrt Gedanken machen. Damit wir unbeschwert Urlaub mache können, sind viele Menschen hinter den Kulissen tätig. Und zwar nicht nur zu unserer Urlaubszeit, sondern das ganze Jahr über. Dahinter steckt natürlich eine Menge Arbeit, die ganze Familien ernähren muss. Und gerade die Menschen in touristischen Alpengebieten müssen noch einen Tick flexibler sein als in vielen anderen Regionen. Man kann sich vorstellen, dass beispielsweise der Fahrer eines Pistenbullys im Sommer eine Alternative benötigt. Also Flexibilität ist alles!

Für uns beginnt die Anreise meist mit einem typischen Bild, die Berge rücken ins Blickfeld und mit ihnen die Weideflächen oder Almen voller Kühe, Ziegen oder Schafe. Ohne diesen Anblick würde definitiv etwas fehlen.

Neugierige Schafe im Ötztal bei Huben

Manche Urlauber möchten auch gerne ihre Haustiere in den Urlaub mitnehmen. Mittlerweile ist das bereits in vielen Pensionen/Hotels und Ferienwohnungen gestattet. Für beide Varianten – also die Tiere, die vor Ort versorgt werden müssen, als auch die Tiere der Urlauber, kommt der örtliche Tierarzt ins Spiel.

Bereits im vergangenen Sommer habe ich die Ötztaler Tierärztin Selina Kasper einen Tag lang begleitet. Selina hat ihre Praxis geographisch gesehen genau in der Mitte vom Tal, nämlich in Längenfeld, hat aber ihre Kunden/Patienten im ganzen Tal. Wie sagte sie während wir im Auto zum Termin fuhren: „Die meiste Zeit verbringe ich im Auto und ich weiß nicht, was in den nächsten Stunden noch reinkommen wird.“ Als Tierarzt bzw. Tierärztin muss man sehr spontan sein. Deshalb hat sie auch nur kurze feste Sprechstunden in ihrer Praxis und arbeitet mit vorherigen Vereinbarungen bzw. versorgt die Notfälle. Selina ist 30 Jahre jung, hat Veterinärmedizin in Wien studiert und ist seit Juni 2020 selbstständig. Vorher gab es in Längenfeld bereits einen Tierarzt. Dieser ging in den wohlverdienten Ruhestand und sie konnte glücklicherweise die Praxis übernehmen. Schon von Beginn an hieß es „Einfach machen und Erfahrungen sammeln“. Auf Grund der vielen Kühe, Schafe und Ziegen im Tag spezialisierte sie sich auf Großvieh. Trotzdem wird aber natürlich auch Kleinvieh behandelt. Im Jahr 2000 (Tirolatlas) gab es im Ötztal (Umhausen, Längenfeld und Sölden) 1645 Kühe, 207 Pferde, 729 Schweine und 8933 Schafe und Ziegen – also eine ganze Menge zu tun.

An besagtem Tag im September 2021 waren wir also zusammen unterwegs. Selina war bereits in der Praxis, als ich hinzukam. Sie führte einen Verbandswechselbei einem Hund durch. Dieser hatte sich die Kralle abgerissen und wurde bereits am Vortag behandelt. Ois isi und ihm geht es sicherlich wieder gut. Im Anschluss wurde Medizin (quasi Apothekendienst) an einen Bauer ausgehändigt. Dieser Vorgang gehört ebenfalls zum Job, entweder im Nachgang einer Behandlung oder wenn Bauern ihre Tiere selbst behandeln. Selbstverständlich immer nach Absprache. Das Auto wurde nun um die verbrauchten Materialien des Vortags aufgefüllt und schon ging es zu unserem ersten Einsatz: Fleischbeschau nach einer Schlachtung. Es handelte sich dabei um vier Schweine und ein Pferd. Selina untersuchte die Organe wie Lunge und Leber, füllte einige Formulare aus und gab die Freigabe mittels Stempel. Ohne die Freigabe durch einen Tierarzt/-ärztin gibt kommt kein Fleisch auf den Teller. Dazu wird übrigens eine Zusatzausbildung der Veterinäre benötigt. Innerhalb von ca. 15min war das Thema durch und wir fuhren zum unserem ersten (lebenden) Patienten: Einem kleinen Lamm, welches noch einen kleinen Teil der Nabelschnur hatte. Man muss wissen, dass diese normalerweise nach der Geburt abfällt. Nicht in diesem Fall, was zu einer Entzündung führte. Der Rest der Nabelschnur wurde abgebunden (damit sich die Entzündung nicht weiterverbreiten kann), fällt in den Folgetagen automatisch ab und das Lamm wächst ganz normal auf.
Für Selina und mich hieß es wieder ins Auto und auf Richtung Sölden zu einer Besamung. Wer jetzt klassisch denkt: Bulle auf Kuh = Kalb. No way. Es gibt eine Samenbank, aus der der Bauer Samen auswählen kann, der von der Tierärztin bestellt wird. Sobald er vor Ort ist, bekommt die Kuh ihn nach einer gewissen Zeit, alles genaustens geregelt/geplant. Hängt natürlich z. T. auch mit den Züchtungen der Tiere zusammen. Die Besamung an sich geht augenscheinlich relativ schnell. Selina meinte nur, dass Kraft und auch Geschick nötig sind. Nachdem das erledigt war, hieß es für uns erst einmal Kräfte sammeln und einen Kaiserschmarrn auf der Gampe Thaya.

Tierärztin Selina Kasper im Ötztal 2021

Nach dieser Stärkung ging es zurück ins Auto, um zu einem Bauernhof in das 20km entfernte Unterlängenfeld zu fahren. Dort wartete eine Kuh, welche bereits auf dem sogenannten Klauenstand (Hebe- und Haltevorrichtung für Kühe) stand/lag, um an ihrer Klaue operiert zu werden. Die Klaue ist anatomisch ähnlich unserem Finger aufgebaut und kann sich ab und zu entzünden. Dies kann durch unsachgemäße Klauenpflege (ähnlich wie Fingernägel schneiden) passieren. Oder auch durch andere Faktoren. Die Klaue war entzündet und das nicht zu knapp. Selina gab der Kuh eine Betäubung und von den drei dabeistehenden Männern war einer bereits verschwunden und ein weiterer auf Abstand gegangen. Sie konnten es nicht mit ansehen, dass die Kuh augenscheinlich leidet. Dank der lokalen Betäubung hatte die Kuh aber keine Schmerzen. Als die Operation begann – ähnlich blutig, wie bei einem Schnitt in den Finger – wurde das Ausmaß deutlich. Zwei sehr tiefe Entzündungen! Wir konnten es versuchen, aber eine Garantie auf vollständige Genesung konnte Selina nicht geben. Nachdem die OP (auch hier benötigt man sehr viel Kraft) vorbei war, bekam die Kuh noch einen Verband angelegt, eine Spritze gegen die Betäubung inkl. Schmerzmittel und durfte wieder auf die Weide.

OP an einer Kuh von Tierärztin Selina Kasper im Ötztal

Als quasi Assistenz fand ich die OP super spannend und hätte nie gedacht, dass „so eine kleine Wunde“ für das Tier eine sehr schwere Operation ist. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass die Kuh sich leider nicht mehr ganz erholt hat. Aber wir haben alles versucht und der Bauer hatte vor der OP die Wahl. Er hätte die Kuh auch gleich zum Schlachter bringen können und dadurch natürlich die Kosten gespart, aber es wurde zumindest versucht. Nachdem wir das Werkzeug gereinigt und verstaut hatten ging es zu unserem letzten Fall fast um die Ecke. Es war nur bekannt, dass eine Kuh hinkt. Der Verdacht auf eine Entzündung war also auch hier gegeben. Es war später Nachmittag und die Kühe wurden (etwas früher als sonst) in den Stall getrieben. Auf die Entfernung konnte man schon erkennen, dass eine Kuh etwas schwerfälliger ging. Auch sie wurde in den Klauenstand geführt und Selina untersuchte die Klauen. Glücklicherweise wurden keine Entzündungen festgestellt. Selina führte noch eine Klauenpflege (per Hand) durch und ein paar Minuten später konnte die Kuh wieder fröhlich umherlaufen. Vermutlich hatte sich nur etwas zwischen die Klauen geklemmt bzw. war der „Fingernagel“ etwas zu lang.

Als wir in diesem Jahr wieder vor Ort waren, konnte ich Selina wieder ein paar Stunden begleiten. Zum einen standen Kastrationen bei Geschwisterkatzen auf dem Programm. Zwei Kater und eine Katze sollten es sein. Bei den Katern war es relativ easy: Betäuben, Hodensack auf, Hoden raus, Samenstrang durchtrennen, wieder alles vernähen. <- so ganz grob gesagt. Wenn anatomisch alles stimmt. Der erste Kater war allerdings ein Zwitter – er hatte beide Geschlechtsmerkmale. Das ist schon etwas Besonderes und Selina hatte so etwas auch noch nicht selbst durchgeführt. Die OP verlief ohne Probleme. Beim zweiten Kater durfte ich sogar (natürlich unter Aufsicht) assistieren und einen Stich beim Zunähen durchführen. Einfach, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es bedeutet und welche Kraft man aufwenden muss, um mit der Nadel durch die Haut zu kommen. Bei der Katze war die Operation etwas aufwendiger, da die Eierstöcke im Bauchraum liegen und entsprechend erst der Bauch aufgeschnitten werden musste.

Tierärztin Selina Kasper bei einer Kastration einer Katze in ihrer Praxis im Ötztal

Über den Tag hinweg wurden noch ein paar Kühe untersucht und z. T. mit Medikamenten behandelt. Wir waren schon auf dem Weg nach Hause, als das Telefon klingelte. Ein Bauer benötigt Hilfe bei einer Kalbsgeburt. Angekommen beim Bauern ging es schnell: Selina drückte das Köpfchen vom Kalb (noch in der Kuh) nach unten und der Bauer und ich zogen an den Beinen vom Kalb. Immer auf Kommando bzw. im Takt der Wehen, bis das Kälbchen schließlich herauskam. Da es sich bei der Kuh um ihr erstes Kalb handelte und dieses auch noch recht groß war, war von allen Beteiligten ganzer Körpereinsatz gefragt! Fragt nicht, da wirken Kräfte. Umso schöner war es, als das Kalb das erste Mal atmete und Laute von sich gab. Hammer!

Frisch geborenes Kälbchen mit Hilfe von Tierärztin Selina Kasper im Ötztal

Im Nachhinein scheint einem die Kuh sogar dankbar zu sein, so hatte ich zumindest das Gefühl. Und erst recht, wenn sie ihren Nachwuchs das erste Mal erschnuppert und abschlecken kann. Ums mal emotional zu sagen: Schon ein schönes Gefühl! Und definitiv (m)ein Highlight!

Des Weiteren kann ich in meiner kurzen Zeit als Assistenz überhaupt nicht behaupten, dass sich die Bauern keine Gedanken zu ihren Tieren machen und es nur um den reinen Profit geht. Genau das Gegenteil war der Fall. Da besteht meistens schon eine Verbindung, so mein Eindruck.

In einem Tal wie dem Ötztal ist es nicht immer einfach für eine Frau sich durchzusetzen. Gerade bei der doch etwas konservativen Bauernschaft herrscht manchmal noch der Glaube, dass es sich bei dem Beruf des Tierarztes um einen Männerberuf handelt. Das wird man auch nicht so schnell rausbekommen, aber ihr könnt mir glaube, Selina hat es geschafft. Nach einem Jahr harter Arbeit hat sie sich den nötigen Respekt verdient und macht ihren Job großartig. Ich gehe sogar soweit und sage: Das Ötztal kann froh sein, so eine junge und engagierte Tierärztin zu haben!
Ich selbst bin sehr gespannt, welche Projekte sie als nächstes stemmen wird und bedanke ich mich für diese tollen und erfahrungsreichen Tage bei ihr.

Oben ist es schöner – Touren im Ötztal

26. August 2022 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , , , ,

Große Vorfreude! Die Planungen liefen schon länger und nun war es endlich so weit – vor ein paar Tagen ging es mit der Bahn in das wunderschöne Ötztal. An dieser Stelle sei schon einmal gesagt: Man (also ich) ist grundsätzlich viel zu wenig in den Bergen. Endstation meiner Bahnfahrt war Ötztal-Bahnhof, um anschließend mit dem Bus bis nach Obergurgl zu fahren. Die Fahrt durch das komplette Tal – inkl. Abzweigungen zu den einzelnen Dörfern – dauert zwar ca. 1:30h, dafür ist es aber landschaftlich wunderschön anzusehen. Außerdem ist die Busfahrt recht entspannt und, da es nur eine Bundesstraße gibt, ähnlich schnell, als würde man den eigenen PKW benutzen. Ein kleiner Tipp: Eine Wochenkarte rentiert sich bereits ab zwei Fahrten. Eine Einzelfahrt von Ötztal-Bahnhof nach Obergurgl kostet 13,40 Euro und eine Wochenkarte inkl. Komplettes Ötztal und Imst 26,00 Euro. Für Besitzer der Ötztal „Inside Summer Card“ ist der ÖPNV sowieso enthalten, genauso wie beim „KlimaTicket“ in Österreich.

Obergurgl kannte ich tatsächlich bisher nur vom Winter und dachte ursprünglich, dass die Unterkünfte dort im Sommer geschlossen sind. Mein Bruder fand aber eine günstige Pension, die am Anreise- und Abreisetag von uns für je eine Nacht genutzt wurde. Die Lage kam uns zwecks Akklimatisierung sehr entgegen. Obergurgl liegt, im Gegensatz zu Schweinfurt, auf ca. 1.930m. Somit kann sich der Körper schon mal an die Höhe gewöhnen. Am ersten Nachmittag/Abend ging es noch auf einen Spaziergang zur Zirben Alm – nicht weit weg und mit schöner Terrasse. Wir waren leider zu spät, um noch etwas zu essen. Next time dann!

Der nächste Tag kam und mit dem Bus ging es rüber in das Bergsteigerdorf Vent. Mit dabei waren ein vollgepackter Rucksack mit einem Gewicht von 13kg, jede Menge gute Laune und herrliches Wetter. Vorbei an Weg-Schafen ging es stetig bergauf. Das kleine Bergsteigerdörfchen liegt auf 1.950m und unser Endziel an Tag 1 war die Similaunhütte. Sowohl auf der Hütte als auch bei der Ötzi-Fundstelle war ich schon das ein oder andere mal, zuletzt 2021. Mein Bruder war vor ca. 25 Jahren das letzte Mal dort oben und war leicht verwundert, dass es mittlerweile ohne Gletscherüberschreitung zur Hütte geht. Damals reichte der Gletscher noch annähernd an die Hütte ran. Heute leider nicht mehr. Wir wollten erst zur Ötzi-Fundstelle, um anschließend über den Grat zur Hütte zu gehen. Man muss dazu sagen, dass der ursprüngliche Plan ein anderer war: Erst zur Hütte, übernachten und am nächsten Tag über die Fundstelle weiter. Doch dies hätte uns fast 1,5h zusätzlich gekostet und für den darauffolgenden Tag waren Gewitter gemeldet. Daher entschieden wir uns um und schauten direkt bei Ötzi vorbei. Im letzten Stück muss man sich etwas orientieren, um den Weg zu finden, und Trittsicherheit ist natürlich unabdingbar. Nach 8 Stunden und 30 Minuten (natürlich mit Pausen) und 1.420 Höhenmetern kamen wir geschafft und glücklich auf der Siminlaunhütte an.

Schafe auf dem Weg zur Ötzi-Fundstelle bzw. Similaunhütte
Blick auf die Similaunhütte vom Weg ab der Martin-Busch Hütte
Abzweigung zur Ötzi-Fundstelle
Der Similaun
Auf dem Weg zur Ötzi-Fundstelle über Blockwerk
Schneereste in der Nähe der Ötzi-Fundstelle
Wahrzeichen an der Ötzi-Funstelle im Ötztal
Weg von der Ötzi-Fundstelle zur Similaunhütte
Grad auf dem Weg von der Ötzi-Fundstelle zur Similaunhütte
Die Similaunhütte von oben und der Similaun im Hintergrund

Die Komoot-Links zu den Routen findet ihr wie immer am Ende des Posts. Zurück zur Hütte. Wie (fast) immer auf Hütten – Schuhe aus, anmelden und das Schlafquartier aufsuchen. Dort erst einmal ordnen und anschließend die Dusche aufsuchen, für die man vorher eine Duschmarke kauft. In der Regel kosten diese so um die 4 Euro. Was im Gegenzug 4 Minuten warmes/heißes Wasser bedeutet. Vollkommen ausreichend, vor allem wenn man die Versorgungssituation in der Höhe bedenkt. Vielen wird es ähnlich gehen: Sobald man auf der Hütte zur Ruhe kommt, lässt man den Tag Revue passieren und speichert seine persönlichen Highlights ab. An diesem Tag war es bei mir ein Bartgeier. Kurz vor der Hütte befindet sich der Grat, über den wir gekommen sind. Auf diesem machte ich einen kurzen Halt, sah mich um und entdeckte einen Bartgeier, wie er direkt über das Joch flog. Und zwar von oben – unglaublich!

Mit dieser, und noch einigen mehr Situationen im Kopf, ging der Tag zu Ende. Neuer Morgen, neue Route. Unser nächstes Ziel war das Hochjoch-Hospiz. Eine Alpenvereinshütte auf 2.413m. Die ursprüngliche Route sollte uns über den Saykogel (3.355m) führen. Doch als wir am Morgen einen Blick aus der Hütte warfen, musste dieser Plan geändert werden. Die Sicht war vor lauter Nebel bzw. Wolken sehr schlecht und laut Hüttenwirt sollte es auch früher beginnen zu regnen bzw. gewittern als am Vortag angekündigt. Deshalb ging es für uns (leider) wieder zurück nach Vent, um anschließend von dort zur Hochjoch-Hospizhütte aufzusteigen. Einen weiteren Vorteil hatte die Besteigung der Ötzi-Fundstelle am Vortag: Wir mussten nicht den gleichen Weg zurücknehmen. Auf halber Strecke befindet sich die Martin-Busch Hütte und theoretisch auch unser Abzweig zum Saykogel. Das Wetter wurde nicht besser (im Tal schon, oben aber nicht) und so ging es weiter zurück nach Vent. Ab den Rofenhöfen (bekannt für Haflinger und als höchstgelegene dauerbesiedelte Bergbauernhöfe Österreichs) führt der Pfad immer dem Tal entlang. Manchmal etwas enger und u.a. auch mit Fixseilen. Das ist aber alles kein Problem und gefühlt kann (fast) jeder mit Bergerfahrung diesen Weg gehen. Angeschrieben ist die Wanderung mit 3 Stunden. Was auch ungefähr hinkommt.

Die Similaunhütte in Wolken gehüllt
Wolkenverhangener Blick von der Similaunhütte ins Tal
Klarer See auf dem Weg von der Similaunhütte nach Vent
Abzweigung zur Hochjoch-Hospiz über den Saykogel an der Martin-Busch Hütte
Haflingerpferde an den Rofenhöfen
Weg zur Hochjoch-Hospiz Hütte von Vent aus
Die Hochjoch-Hospiz unter Wolken
Graupel auf der Hochjoch-Hospiz
Abendstimmung auf der Hochjoch-Hospiz mit Blick ins Tal

Die Strecke „untenrum“ von der Similaunhütte zur Hochjoch-Hospiz zieht sich schon etwas. Insgesamt knapp 20km mit ca. 620 Höhenmetern. Trotzdem eine schöne Tour. Angekommen auf unserer zweiten Hütte das bekannte Ritual: Wanderschuhe aus- und Hüttenschuhe anziehen. „Freiheit den Zehen!“ Anschließend einchecken und duschen. Beim Einchecken dann eine kleine Überraschung. Mein Bergführer Michael von der Fluchtkogel-Tour 2019 saß dort am Tisch. Er war mit einer Familie unterwegs, welche ein paar Gipfel erklimmen wollten. Wir gingen uns erst einmal wieder kultivieren und später saßen wir mit Michael und der Familie zusammen. Natürlich wurde gequatscht, gewitzelt, Tipps/Neuigkeiten ausgetauscht und die nächste Tour(en) 2023 geplant. Ein richtig schöner Hüttenabend! Es war übrigens die richtige Entscheidung, nicht über den Saykogel zu gehen, denn später fing es an zu regnen, hageln und gewittern.

Der nächste Morgen kam und auch hier wieder die gewöhnliche Routine: Frühstücken, Zähne putzen/waschen, raus aus den Hüttenschuhen und rein in die Wanderschuhe. Kurzer Check, Rucksack satteln und los geht’s. Das Wetter war wieder besser, nur etwas kühler. Dafür, dass es zu Hause immer um die 30 Grad hatte, war es hier richtig angenehm. Noch ein Pluspunkt für die Berge. Das nächste Ziel war die Vernagthütte. Keine 3 Stunden entfernt (falls man den Höhenweg nimmt) und aus Erfahrung ein sehr schöner Weg. Unser Plan lautete etwas anders, denn wir gingen quasi den direkten Weg über den Gipfel der mittleren Guslarspitze. Ab der Hütte schlängelt sich der Weg entlang hochalpiner Landschaft mit einem wunderbaren Blick auf die umliegende Gletscherwelt. Weiter oben wird es (natürlich) etwas steiniger. Der Gipfel (3.128m) war nicht mehr weit und sobald man das Joch betritt, sind es nur noch ein paar Meter bis zum Kreuz. Die Aussicht auf dem Gipfel ist grandios. Das Tagesziel, die Vernagthütte, ist ebenso zu sehen, wie auch der leicht gezuckerte (schneebedeckte) Gipfel der Wildspitze.

Weg von der Hochjoch-Hospiz zur Vernagthütte am frühen Morgen
Wegweiser auf dem Weg von der Hochjoch-Hospiz zur Vernagthütte
Schafe, Mond und Gletscher auf dem Weg von der Hochjoch-Hospiz zur mittleren Guslarspitze
Weg von der Hochjpch-Hospiz zur mittleren Guslarspitze
Blick auf die Gletscher auf dem Weg von der Hochjoch-Hospiz zur Vernagthütte
Gipfelkreuz der mittleren Guslarspitze
Ich auf der mittleren Guslarspitze
Gipfelbuch der mittleren Guslarspitze mit Ausblick
Die Wildspitze von der mittleren Guslarspitze aus gesehen
Die Vernagthütte aus der Nähe
Auf der Vernagthütte inkl. Duschhinweis
Palatschinken auf der Vernagthütte
Zirbenschnaps auf der Vernagthütte
Zimmer mit Ausblick auf der Vernagthütte

Wir ließen uns auf dem Gipfel und am Abstieg Zeit. Erstens weil wir noch genügend Zeit hatten, und zweitens war der Weg abschnittsweise sehr rutschig/steil. Leider konnten wir auch Steinschlag beobachten. Ja, der Klimawandel ist auch hier oben zu spüren.
Es ging weiter bergab und nach einem erneuten kurzen Aufstieg (wie es immer so ist), erreichten wir die Vernagthütte (2.755m). Auf der Hütte galt wieder: Wanderschuhe aus, Hüttenschuhe an, anmelden, Quartier beziehen und duschen. Danach erst einmal gemütlich ausruhen (wir waren recht früh auf der Hütte) und den Tag Revue passieren lassen. Gleichzeitig war es unsere letzte Übernachtung auf einer Hütte bei dieser Tour. Nach einem sehr leckeren Essen ging es relativ früh ins Bett – vielleicht spürten wir doch die Anstrengungen der letzten Tage?!

Unser letzter Tag am/in den Bergen stand an. Auch hier wurde die ursprüngliche geplante Route etwas abgekürzt. Für uns ging es von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte und von dort der Abstieg nach Vent. In der Nähe vom Weg von Hütte zu Hütte entdeckten wir diesmal etwas dickere Murmeltiere, die schon für den notwendigen Winterspeck sorgen. Die Breslauer Hütte nahmen wir noch mit, das Wilde Mannle nicht mehr. Ich war bereits mehrfach auf dem Gipfel und kannte somit quasi eh fast jeden Stein. Bis auf das letzte Stück, welches steil(er) bergab und dementsprechend die Knie belastet, ist die Strecke auch eine schöne Wanderung. Man ist immer oben und genießt die Aussicht auf die umliegenden 3000er.

Wegzeichen von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte
Weg von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte im Ötztal
Finde die Murmeltiere auf dem Weg von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte
Genießen auf dem Weg von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte
Wegstück von der Vernagthütte zur Breslauer Hütte
Die Breslauer Hütte von der Vernagthütte kommend
Blick in das Tal - Vent
Burger im See You in Obergurgl

Unten im Tal angekommen ging es nochmals für eine Nacht nach Obergurgl, um die Tour gemütlich ausklingen zu lassen. Und zudem mussten wir uns nicht stressen, um evtl. noch einen Zug zu erwischen. In Obergurgl kann ich Euch das „See You“ empfehlen. Uns hatten dort die Burger angelacht. Nach den eher einfachen Gerichten auf den Hütten, dann doch mal etwas anderes. Nicht falsch verstehen, das Essen auf den Hütten ist lecker, doch Burger oder ähnliches gibt es nicht.

Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Ötztal und mit Bus und Bahn wieder nach Hause. Hier die Links zu den einzelnen Touren auf Komoot:

Die Übernachtungen auf den Hütten hatte ich vorher alle gebucht und zum Teil auch eine kleine Anzahlung geleistet. Zwar könnte man theoretisch auch auf Nachfrage und ohne Buchung übernachten, aber gerade in der Ferienzeit ist es schon ziemlich voll und das gehört auch nicht zum guten Ton, wenn es nicht sein muss. Wir hatten zudem immer gleich mit Halbpension gebucht. Auf der Similaunhütte ist sowieso nur HP möglich und auch auf den anderen Hütten die bessere Wahl, wenn Ihr nicht nur auf Euren Proviant zurückgreifen wollt. Außerdem hatten wir uns für Zimmer (statt Lager) entschieden und wir hatten hier auch Glück, dass wir – bis auf die Similaunhütte – immer alleine im Zimmer übernachten konnten. Ein wichtiges Utensil für mich sind Ohrenstöpsel für besseren Schlaf. Man weiß ja nie. Manche Zimmer sind sehr hellhörig oder man hat einen schnarchenden Zimmernachbarn. Ohrenstöpsel rein, Augen zu und schlafen ist mein Motto. Der Handyempfang ist auf den Hütten auch eher semi, aber manchmal noch besser als auf dem Land in Deutschland – das ist aber wieder ein anderes Thema. Kostentechnisch rechnete ich so um die 100 Euro pro Tag. Meistens ist es weniger, doch einen Puffer habe ich immer mit eingeplant. Erstens gibt es keinen Geldautomaten oder so etwas in der Art, zweitens akzeptieren die Hütten nur Bargeld und drittens weiß man nie, wie der Hüttenabend endet. Bestimmt geht es auch mit weniger Cash, doch für mich ist es eine grobe Hausnummer.

Ausstattung/Ausrüstung

Bei Gesprächen vor und nach so einer Tour werde ich immer wieder gefragt „was hast du eigentlich alles an Gepäck dabei?“ Mein Rucksack wog inkl. Verpflegung (Essen und Trinken) knapp über 13kg. Auf der Waage waren sogar noch die Stöcke angeschnallt. Mit dabei habe ich einen dünnen Schlafsack. Diesen braucht man auf den Hütten. Dort gibt es meistens zusätzliche Decken, so dass es nicht zu kalt wird. Dann nehme ich immer Badeschlappen mit. Oft werden oben Hüttenschuhe bereitgestellt, aber hier sind mir meine eigenen lieber. Regenschutz und eine warme (Sport-)Jacke dürfen natürlich nicht fehlen. Je nach Wetter und Höhe auch eine leichte Daunenjacke, Handschuhe und Mütze. Auch wenn es im Tal an die 30 Grad warm ist, kann es gerade in Gletschernähe und/oder am frühen Morgen doch recht frisch sein. Wir hatten beispielsweise morgens um die 5 Grad.
An Kleidung hatte ich vier T-Shirts aus Merinowolle und Sportunterwäsche (beides von icebreaker) dabei. Bei den Shirts wäre ich vielleicht auch nur mit zwei ausgekommen – muss ich das nächste Mal ausprobieren. Da ich persönlich schnell am Rücken (Rucksack) schwitze, liegt meine Prio auf Shirts mit guter Saugkraft, die gleichzeitig schnell trocknen und den Geruch absorbieren. Hier bin ich wirklich begeistert von meinen icebreaker-Shirts. Des Weiteren eine kurze Hose, eine lange Wanderhose und Wandersocken (ebenfalls aus Merinowolle). Dazu kommen noch Zahnbürste und -pasta, Deo, Handtuch (Mikrofaser), eine Nagelschere und ein kleines Reisewaschmittel (für den Notfall). Und „Kleinkram“ wie Rettungsdecke, Erste-Hilfe-Set, Isolierband, Ersatzschnürsenkel, persönliche Medikamente, Stirnlampe (mit geladenem Akku), Powerbank und verschiedene Ladekabel. Bei so einer Tour sind es ca. 2,5 Liter an Getränken und gefühlt hatte ich diesmal zu viel Essen (Müsliriegel/Naschsachen/Knäckebrot) mit dabei. Einiges ging wieder mit zurück nach Hause. Traubenzucker und Bonbons für den schnellen Zuckernachschub habe ich sowieso immer griffbereit. Aus Erfahrung wird man klug. Das gilt auch für die Sonnencreme. Je höher der Lichtschutzfaktor, desto besser. Und, egal ob bewölkt oder Sonnenschein – es wird sich eingecremt. Und zwar an allen Stellen, die auch nur für kurze Zeit der Sonne ausgesetzt sind. Selbstverständlich sind mit dabei Kopftücher (eines als Ersatz) als zusätzlichen Sonnenschutz und meine Wanderstöcke aus Carbon. Soweit ich mich erinnern kann, dürfte das alles gewesen sein.

Auf jeden Fall war es eine geniale Tour, die nach einer Wiederholung schreit! Vielleicht im Jahr 2023 und vielleicht auch mit ein paar höheren Gipfeln. Sag niemals nie! Und wie sagte Hans Kammerlander so schön: „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm.“ In diesem Sinne.

Ötztal Tipp für 2022 – Friedl mit der leeren Tasche

17. Dezember 2021 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , ,

Im Winter ist das Ötztal bekannt für Schnee, gute Pisten, Skigebiete für alle Anforderungen und natürlich das leckere Tiroler Essen. Das kann man selbstverständlich auch im Sommer genießen, zum Beispiel nach einer von zahlreichen möglichen Aktivitäten, wie Biken, Bergsteigen und/oder Wandern. Egal ob im vorderen oder im hinteren Ötztal, Touren gibt es en masse und es ist für jeden etwas dabei. Mich persönlich verschlägt es schon eher Richtung hinteres Tal, wo auch die 3000er Gipfel zu finden sind. Wie bei meinem letzten Besuch, wo ich u.a. an der „Ötzi-Fundstelle“ war. Schneebedeckte Gipfel, herrliche Ausblicke – es ist einfach eine sehr beeindruckende Kulisse!

Genau in dieser wunderbaren Kulisse spielt das Wandertheater „Friedl mit der leeren Tasche“. Die Idee dazu hatte Hubert Lepka, der bereits „Hannibal“ am Rettenbachferner in Sölden (mit)entwickelte. Startpunkt für den Friedl ist das Bergsteigerdorf Vent mit seiner prägnanten Talleitspitze (3406m). Von dort aus startete unsere Gruppe ausgestattet mit Funk-Kopfhörern und folgte den Darstellern in ihren historischen Kostümen. Der Weg führte uns ein kleines Stück entlang der Rofenache und anschließend Richtung Martin-Busch Hütte. Die Spiel- und Gehzeit ist mit 6 Stunden angegeben, doch ich kann Euch versichern, dass es so abwechslungsreich ist, dass es einem viel kürzer vorkommt! Inklusive Rückweg ist es ein toller Tagesausflug, man kommt auf ca. 8 Stunden und 800hm. So die groben Eckdaten. Aber nicht davon abhalten lassen, denn es lohnt sich sehr – versprochen! Natürlich sollte die Ausrüstung der Höhe und dem Wetter entsprechen, aber das versteht sich von selbst. Die Martin-Busch Hütte wird gestreift, doch findet während des Theaters keine Einkehr statt. Also auch an den Proviant denken!

Geschichtlich gehen wir um die 600 Jahre zurück. Erzherzog Friedrich von Tirol flüchtet in ärmlicher Verkleidung von seinem Erzfeind Siegmund von Luxemburg von Konstanz nach Meran. Er musste somit genau den Weg nehmen, den wir quasi heute auch nehmen. Vorbei an Pferden (vielleicht waren es damals auch Haflinger), Bergziegen, Murmeltieren und Schafen führte uns der Weg. Wie vor besagten 600 Jahren. Von Erzherzog Friedrich blieb vorerst nicht viel übrig, denn in Vent, genauer gesagt in den Rofenhöfen, schlüpfte er in die Rolle des Knechtes „Friedl“ und tauchte unter. Alleine war es in der Umgebung recht schwer zurechtzukommen, doch mit Hilfe der Magd Anna konnte er fliehen. Anna war (fast) immer an seiner Seite, doch wer ist die fremde Frau, welche wir zwischendurch immer wieder zu Gesicht bekommen?
Die einzelnen Szenen werden immer wieder durch Wanderabschnitte unterbrochen, was die Spannung hebt. Was passiert als nächstes? Wohin führt uns der Weg? In welcher eindrucksvollen Kulisse spielt die nächste Szene? Fragen über Fragen! Manchmal befindet sich der Spielplatz nah an den Zuschauern, manchmal aber auch weiter entfernt. Keine Bange, durch Kopfhörer und spezielle Funkübertragung sind die Zuschauer immer direkt dabei! An dieser Stelle ein dickes Kompliment an den Tontechniker! Um zu erfahren, was weiter passierte, mussten wir einige Höhenmeter hinter uns lassen – nahe den Gletscherzungen sollten wir es erfahren.

Während des Theaters fühlt man sich in die damalige Zeit zurückversetzt. Die Umgebung, die Kostüme und die Musik– es fühlt sich an, als steckt man mittendrin. Sprachlich ist es ein Mix aus Deutsch und dem Ötztaler Dialekt, der übrigens von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt wurde! Ich gebe zu, das ein oder andere mal muss man etwas konzentrierter zuhören… aber das macht die Authentizität aus.
Im Winter macht das Wandertheater eine Pause. Die neuen Spieltermine (vermutlich wieder im September) sind aktuell noch nicht veröffentlich, kommen aber in den nächsten Monaten und sind dann hier zu finden. Wäre doch auch ein tolles Weihnachtsgeschenk!?

Mein persönliches Fazit: Die Schauspieler sind top, die Geschichte spannend (zu viel wird hier natürlich nicht verraten), die technische Umsetzung ist super und die Kulisse ist einfach der Hammer! Meine beiden Daumen gehen eindeutig nach oben!

Genächtigt habe ich im Hotel Macun. Direkt in Vent gelegen, mit Blick zum Rofental, extrem netten Gastgebern und mit einer unglaublich guten Küche. Apropos Küche, hier kocht der Chef (Pirmin) noch selbst. Seine Leidenschaft fürs Kochen und regionale Produkte schmeckt man und ich durfte ihm über die Schulter schauen, vor allem aber im Anschluss im hauseigenen Restaurant „Das Siebzehn“ das Ergebnis genießen.

Genau diese Unkompliziertheit und Offenheit („Ich würde dir gerne einmal über die Schulter schauen, ist das möglich? – „Ja, klar – wann passt es dir?“) mag ich persönlich sehr. Dies ist nicht nur in Vent bzw. im Hotel Macun so, sondern im ganzen Ötztal. Da fühlt man sich einfach wohl!

Ein Dankeschön geht an das ganze Team vom Ötztal Tourismus, die dieses Erlebnis erst ermöglicht haben.

Touren im Ötztal – Der Mann aus dem Eis wird 30!

19. September 2021 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , , , , ,

Genau 30 Jahre ist es her, dass der Mann aus dem Eis, besser bekannt als „Ötzi“, gefunden wurde. Am 19. September 1991 machte das Ehepaar Simon (die übrigens auch aus Franken kamen) beim Wandern am Niederjochferner diesen historischen Fund. Als Kind war ich bereits einmal vor Ort, allerdings kann ich mich selbst kaum noch daran erinnern. Und so war es jetzt einmal an der Zeit bei einem Besuch im wunderschönen Ötztal, die Fundstelle bzw. den markierenden Obelisken auf dem 3210m hohen Tisenjoch zu besichtigen.

Fast jeder wird mit dem Namen „Ötzi“ etwas anfangen können und mittlerweile haben zahlreiche Forscher ziemlich viel über die Mumie aus dem Eis herausgefunden. Wie mittlerweile festgestellt wurde, starb er vor über 5000 Jahren und dank der tiefen Temperaturen des Gletschers wurde er mumifiziert. Er gehört zu den ältesten und am besten konservierten Mumien der Welt. Ötzi starb am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen. Dass es sich bei dem Fund um eine Besonderheit handelte, war zuerst gar nicht unbedingt absehbar. Man dachte zunächst, dass es sich um eine „neuere“ Gletscherleiche handelte, jemand, der in den vergangenen Jahrzehnten in den Bergen umkam und erst jetzt gefunden wurde. Was durchaus passierte, dass eine vermisste Person erst ein paar Tage/Wochen/Monate später gefunden wurde.
Das Ehepaar Simon war auf dem Rückweg von der Fineilspitze (3516m) zur Similaunhütte (3016m) und entdeckte in einer Mulde einen Oberkörper. Daraufhin gingen sie zur Hütte und meldeten den Fund. Der Hüttenwirt Markus Pirpamer stieg zur Stelle auf (die ca. 200hm oberhalb der Hütte liegt) und verständigte im Anschluss die Polizei. Übrigens ist Markus noch immer der Betreiber der Similaunhütte und könnte sicherlich so einiges dazu erzählen.

Am Folgetag erschien die Polizei, um den Fund zu dokumentieren, konnte aber aufgrund der Höhe nicht sofort die Bergung einleiten. Zwei Tage nach dem eigentlichen Fund kamen auch Reinhold Messner und Hans Kammerlander mehr oder weniger zufällig an der Fundstelle vorbei. Begleitet wurden sie von Hans Haid, einem Dichter/Schriftsteller aus dem Ötztal, der später in mehreren Büchern der Gletscherleiche eigene Kapitel widmete. Auch sie diskutierten den Fund, gingen zunächst aber von einer seit einigen Jahrhunderten verstorbenen Person aus. Die Bergung erfolgte nicht extrem vorsichtig und so wurde erst einige Zeit später, als die Mumie von Experten untersucht wurde, die eigentliche Sensation erkannt.

Der Name „Ötzi“ war auf Grund seines Fundortes in den Ötztaler Alpen schnell geboren. Gut, wenn man es ganz genau nimmt, ist er ein Südtiroler. Unter anderem ist er auch noch unter dem Namen „Mann vom Hauslabjoch“ bekannt, wobei das Hauslabjoch ca. 80m entfernt liegt. Gestorben ist er vermutlich durch einen Pfeil (die Spitze wurde im Körper gefunden). Allerdings könnte auch ein Schädel-Hirn-Trauma zu seinem Tod geführt haben – zahlreiche Experten rätselten viele Jahre über die Todesursache. Vielleicht war er auf der Flucht, und aus heutiger Sicht muss man sagen, dass er glücklicherweise auf über 3000m unterwegs gewesen ist, denn sonst wäre Ötzi nicht in so einem gut erhaltenen Zustand aufgefunden worden. Nach langem Hin- und Her ist die Gletscherleiche heute im Archäologiemuseum in Bozen zu finden und wird dort weiterhin untersucht. Man findet dort aber auch Rekonstruktionen des Steinzeitmanns.
Wer mit der Familie im Ötztal unterwegs ist, dem lege ich das Ötzi-Dorf in Umhausen ans Herz. Hier können sich die Besucher auf Ötzis Spuren begeben und u.a. erleben, wie Steinzeitmenschen lebten. Und wer selbst wandern gehen möchte, der sollte sich den „Ötzi-Trek“ anschauen, der auch zur Fundstelle führt.

In der vergangenen Woche ging es für mich hinauf zur Fundstelle. Meine Begleitung war die Wanderführerin Barbara Haid, die gleichzeitig auch die Tochter von Hans Haid ist. Das passte natürlich super zu unserer Tour zur Ötzi-Fundstelle! Von dem schönen Bergsteigerdorf Vent führte unsere Route zunächst zur Martin-Busch Hütte auf 2501m. Dort kamen wir ins Gespräch mit Elmar, seines Zeichens DER Schafshirte für den Schaftrieb über den Ötztaler Alpenhauptkamm. Die Schafe werden aus dem ganzen Tal zusammengetrieben, an der Martin-Busch Hütte „gesammelt“ und anschließend über das Niederjoch nach Südtirol getrieben. Diese grenzüberschreitende „Transhumanz“ oder Wanderweidewirtschaft wurde 2011 in Österreich als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt. Es ist einer der ältesten und spektakulärsten Schafübertriebe im ganzen Alpenraum. Elmar ist ein super Typ und gerne würde ich einmal eine Saison helfen und mitwandern. Für Barbara und mich ging es allerdings weiter zur Similaunhütte. Dies sollte mein Schlafplatz für die Nacht sein. Auf 3019m gelegen und quasi auf der Grenze zwischen Österreich und Italien (ja, ganz genau liegt die Hütte bereits in Südtirol). Wie es so üblich ist, Bergschuhe ausziehen, sich anmelden, Schlafplatz einrichten und anschließend gesellig zusammensitzen, das Abendessen genießen und sich anschließend in seine Koje verziehen. Immer wieder schön, so ein Hüttenabend!

Am nächsten Tag (ich hatte dank Ohrstöpsel sehr gut geschlafen), ging es frühstücken. Ich liebe den Morgen auf einer Berghütte. Für mich hat es etwas ganz Besonderes: Die Berge sind klar (natürlich nicht immer), die Luft dünn, frisch und ebenfalls klar. Dazu das morgendliche Gewusel/Gebrummel der Bergsteiger, die zwar noch nicht richtig wach sind, sich aber trotzdem schon auf ihre Tour freuen. Im Vorraum, beim Anziehen der Bergschuhe wird sich verabschiedet „Kommt gut wieder runter“ und jeder geht in seine Richtung. Barbara und ich machten uns auf den Weg zur Fundstelle. Diese war mit 1 Stunde und 15 Minuten von der Hütte aus angeschrieben. Nach ein paar kleinen ausgesetzten Stellen erreichten wir diese in der angegebenen Zeit und standen nun auf 3210m beim besagten Obelisken.

Nach einer kurzen Pause ging es wieder an den Abstieg. Dieser führte uns nicht wieder zurück zur Similaunhütte, sondern direkten Weges zur Martin-Busch Hütte. Nach einer kurzen Rast mit leckerem Kaiserschmarrn ging es von dort zurück nach Vent.

Wichtig: Es handelt sich dabei um eine Wanderung im Hochgebirge, also an die entsprechende Ausrüstung denken – aber das sollte sich eh von selbst verstehen. Auf der Hütte ist aktuell eine Anmeldung Pflicht, wie auch das Mitbringen eines Schlafsacks (kein Hüttenschlafsack). Insgesamt ist es eine sehr schöne und lohnenswerte Tour, inkl. Hüttenübernachtung auf über 3000m und es ist auf jeden Fall etwas Besonderes dort oben an der Ötzi-Fundstelle zu stehen!

Ein Dankeschön geht auch an das ganze Team vom Ötztal Tourismus, die dieses Erlebnis überhaupt erst ermöglicht haben.

Mein persönliches Highlight 2019 – der Fluchtkogel

23. Dezember 2019 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , , ,

Mein Faible für die Berge und das Ötztal sind Euch ja mittlerweile bekannt. Von klein auf war ich sowohl im Winter als auch im Sommer für ein paar Wochen dort. Damals war Sölden noch kein Hot Spot und von James Bond noch keine Rede.

Für mich strahlen die Berge einfach schon immer eine Faszination aus. Den eigenen Schweinehund überwinden. Und wenn man denkt, dass es nicht mehr weiter geht, findet sich immer wieder ein neuer Weg. Gleichzeitig aber auch den Umgang mit Rückschlägen lernen. In jungen Jahren war mir das noch nicht so bewusst, doch mit dem Alter werden diese Punkte deutlicher. Auch der Umgang mit der Natur spielt eine große Rolle. Den Respekt muss man ebenfalls erst einmal lernen. Doch der Körper teilt diese Faszination nicht immer. Wie ich letztes Jahr beim Versuch auf die Verpeilspitze schmerzlich feststellen musste. Somit blieb die Kreuzspitze mit ihren 3455m bisher mein höchster Gipfel. Diesen hatte ich in jungen Jahren mit meinem Vater bestiegen. Je öfter man in den Bergen unterwegs ist, desto „normaler“ ist es. Nun mit etwas Abstand wurde mir die Leistung erst richtig bewusst.

Die Planung:

Schon länger schwebte mir vor, einmal den Similaun mit seinen 3606m zu besteigen. Warum es genau der Similaun sein muss, kann ich Euch gar nicht erklären. Wobei mit dem dort zunehmenden Bergtourismus die Begeisterung für genau diesen Berg schon wieder etwas zurückgeht. Aber es sollte etwas Besonderes sein, deshalb war der Plan geboren, bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Similauns zu stehen. Von der Idee konnte ich meinen Cousin und die kleine „Schwester“ überzeugen und wir fanden einen Zeitraum, an dem alle Zeit hatten. Notwendig war die Übernachtung auf einer Berghütte,  wobei sich die Similaunhütte am besten dafür eignet. Nach einigen Telefonaten war dieser Plan allerdings schnell wieder Geschichte. Denn weder auf der Similaunhütte, noch auf der weiter unten gelegenen, alternativen Martin-Busch Hütte waren Anfang September Schlafplätze verfügbar. Ohne Übernachtung, kein Gipfel – leider.

Bei der Besteigung des Similauns handelt es sich um eine Hochtour mit Gletscherüberquerung, daher war für uns ein Bergführer Pflicht. Denn die Gefahren von einem Gletscher sind nicht zu unterschätzen. Uns fehlt dafür die nötige Erfahrung bzw. Ausbildung. Daher standen wir in Kontakt mit der Bergführerstelle Vent, Kilian (Chef der Bergführerstelle) und seinen Jungs. Ein Bergführer für Anfang September war bereits gebucht, aber Plan B musste nun her. Nach kurzer Recherche wurden Plätze auf der Vernagthütte reserviert. Nicht ganz zum Wunschtermin. Was sich später allerdings als Glücksfall herausstellen sollte. Nun hatten wir zwar einen Schlafplatz, allerdings noch keinen Gipfel ausgewählt. Gipfel ohne Schlafplatz ist doof, aber genauso auch ein Schlafplatz ohne Gipfel. Von Kilian kam der Vorschlag „Wie wäre es mit einem Sonnenaufgang auf dem Fluchtkogel?“ Also ich kenne ja einige Gipfel in der Umgebung, aber der Fluchtkogel sagte mir nicht viel. Kurz nachgeschaut und: Ja, das ist unsere Tour! Der Fluchtkogel ist 3500m hoch, der Hüttenplatz war save, es ging ebenfalls über einen Gletscher und die Besteigung zu Sonnenaufgang sollte auch möglich sein. Die Planung stand!

Die Vorbereitung:

In diesem Jahr waren wir häufiger wandern, auch in den Alpen. Mein Tipp: Wanderungen zwischendurch mit vollem Gepäck, auch wenn es nur Tagesausflüge sind. Außerdem habe ich endlich wieder angefangen zu joggen. Nicht nur, aber auch für solche Touren. Ohne Kondition geht es nicht. Und das hatte ich etwas vernachlässigt.
Kurz vorher war ich auf dem Grenzgänger unterwegs, von daher wusste ich, dass mein Körper bereits etwas an höhere Regionen gewöhnt war.  Natürlich kann man nie zu 100% sicher sein. Trotzdem sollte es nicht einfach von 230hm auf über 3000 Höhenmeter gehen ohne weitere Vorbereitungen, wie bei der Verpeilspitze. Ein, zwei leichtere Bergtouren vorher waren angedacht. Sinn und Zweck ist es, den Körper an die Höhe zu gewöhnen, gleichzeitig aber wenig Kraft zu verbrauchen. Und nicht zu vergessen: Spaß zu haben und die Landschaft zu genießen.

Auch die passende Ausrüstung ist bei einer Bergtour wichtig. Mir fehlten noch Kleinigkeiten, wie z. B. eine zweite Jacke und ein Helm. Wobei dieser für unsere Tour nicht nötig war. Steigeisen und Gurt bekamen wir leihweise vom Bergführer vor Ort. Das kostet nicht viel und man weiß, dass man gutes Material bekommt.
Weit im Vorfeld verfolgte ich die Wettervorhersage, was allerdings meistens nicht nötig ist, denn das Wetter ist vor Ort immer etwas anders und langfristig eh nicht vorhersehbar.

Ihr merkt schon, dass so eine Bergtour zwar leicht aussieht, es aber doch eine gewisse Vorbereitung benötigt. Irgendwann stelle ich mal ein Blogpost zur Ausrüstung zusammen. Aber zurück zu unserer Tour. Am ersten Tag war das Wetter einfach nur schlecht. Wir überlegten sogar, erst einen Tag später anzureisen. Da Huben allerdings schon auf knapp 1200m liegt, entschieden wir uns, doch schon zu fahren und ein bisschen zu akklimatisieren. Den ersten Urlaubstag verbrachten wir mit weiterer Planung, gutem Essen und einem Besuch im Aqua Dome in Längenfeld. Entspannung und Kräfte sammeln, was ja auch wichtig ist. Am nächsten Tag sollte das Wetter wieder besser sein und somit ging es auf den Berg. Wir entschieden uns als Einstiegstour für das „Wilde Mannle“ über die Südseite. Aus Erfahrung war mir bekannt, dass das erste Stück Richtung Bergstation Stablein nicht so spannend ist und somit ging es mit der Seilbahn bis zur Zwischenstation, von da an ging es dann zu Fuß weiter. Für uns war vor allem die Höhe entscheidend und die 650 hm von Stablein zum Gipfel (3023m) waren relativ easy.

Da war er also, der erste 3000er nach langer Zeit. Endlich! Ein leichter Berg, ohne viel drumherum. Natürlich sollte man Trittsicherheit mitbringen. Dies sollte man aber sowieso, wenn man in den Alpen unterwegs ist. Die Wolken vom Vortag hatten sich verabschiedet und es war angenehm warm. Auf dem Gipfel entschieden wir uns dann spontan über den Grat weiter nach Norden zu gehen, um über den Rofenkarsteig zur Breslauer Hütte abzubiegen. An der Hütte gab es erst einmal eine kleine Stärkung und wir genossen die Aussicht.

Als wir auf der Terrasse saßen, die Aussicht genossen und uns umschauten, sahen wir einen Wegweiser. Darauf zu sehen: „Urkundkolm 3134m“ mit einer Gehzeit von einer Stunde. Unsere Blicke trafen sich wieder und jeder dachte das gleiche. „Nochmals 100m höher und nur 1 Stunde zu gehen“. Mein Cousin sagte: „Auf, den machen wir jetzt auch noch!“ Wir hatten ca. 14:30 Uhr und als noch jemand von dort kam und sagte „Ach, das schafft ihr locker“ machten wir uns auf den Weg. Exakt 40 Minuten später standen wir auf dem Gipfel. Spontane Ideen sind manchmal doch die besten und wir sind ja auch ein bisschen verrückt. Da war er also, der nächste 3000er. Und keine Spur von Höhenkrankheit o.ä.
Der Abstieg verlief ohne Probleme und nachdem quasi mein Cousin seinen Willen (der zweite Gipfel) durchgesetzt hatte, meinte ich nun „Wir fahren doch nicht runter – wir laufen!“. Gesagt, getan. Unten angekommen wurden wir sehr lecker bekocht (ich sag nur: bester Kaiserschmarrn!) und ließen den Tag gemütlich ausklingen. Für die Statistiker unter Euch:

Der Weg zur Zwischenstation:

Am folgenden Tag konnten wir ausschlafen. Geplant war der Aufstieg zur Vernagthütte, unserer Übernachtungsstation vor dem Fluchtkogel. Ausgangspunkt war wieder das schöne Bergsteigerdörfchen Vent. Der Rucksack war gepackt und wurde nur noch um Gurt und Steigeisen ergänzt. So ging es dann gegen 12 Uhr Richtung Vernagthütte. Die Sonne brannte und es war richtig heiß. Nach 40 Minuten ging es über die Hängebrücke bei Rofen, vorbei an störrischen Haflingern bis zu einem Abzweig. Wir verließen den breiten Weg, um rechts Richtung Hütte weiter zu laufen. Es war unglaublich warm! Nach 3 Stunden und 15 Minuten (angeschrieben waren 3h) kamen wir erschöpft an der Hütte an. Gefühlt waren wir an dem Tag mehr als 5 Stunden unterwegs. Auf der Terrasse trafen wir unseren Bergführer Michael. Er wird sich auch gedacht haben „Mit welchen Typen soll ich da morgen auf den Fluchtkogel?!“ – wir waren fertig, hatten Durst und waren nicht sehr redselig.
Ursprünglich standen uns „nur“ Schlafplätze im Matratzenlager zur Verfügung. Vor Ort wurde uns dann ein Zimmerlager zur Verfügung gestellt. Wie wir erfuhren, hatten viele Personen auf Grund der schlechteren Wettervorhersage abgesagt. Deren Pech = unser Glück! Zum einen hatten wir unsere Ruhe und zum anderen ging am nächsten Tag sehr früh aus den Federn. Den Abend ließen wir mit einem sehr leckeren und kohlenhydratreichen Essen ausklingen. Natürlich durfte der obligatorische Zirbenschnaps nicht fehlen. Auch hier wird sich Michael seinen Teil gedacht haben. „Erst kommen sie erschöpft hier oben an und dann fangen sie auch noch an zu schnapseln!“ ;)

Wir schauten ein letztes Mal nach dem Wetterbericht. Am nächsten Tag sollte es erst am Nachmittag zu regnen beginnen. Kein Problem, da wollten wir eh schon wieder im Tal sein. Somit wurde der Start auf 4 Uhr terminiert. Der Sonnenaufgang war für 6:40 Uhr hervorgesagt worden und die kalkulierte Aufstiegszeit von 2,5 Stunden sollten somit passen.

Der große Tag:

Auf diesen Tag hatten wir hingefiebert und jetzt war es soweit. Wird alles klappen? Wird das Wetter halten? Wird die Höhenkrankheit wieder zuschlagen? Diese und noch viel mehr Gedanken schwirrten mir im Kopf herum. Pünktlich um 3 Uhr klingelte der Wecker bei jedem von uns dreien. Das Licht ging an und nach kurzem Gemurmel ging jeder seiner Morgenroutine nach. Am Vorabend wurde das Frühstück bereits soweit vorbereitet, dass wir versorgt waren. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Familie Scheiber! Kurz vor 4 Uhr trafen wir uns alle im Eingangsbereich der Hütte. Die am Gipfel unnötigen Dinge wie Hüttenschlafsack usw. ließen wir da, wir wollten später sowieso wieder an der Hütte vorbeikommen. Letzter Check der Stirnlampen und los ging es – raus in die Dunkelheit.

Gleich hinter der Hütte ging es auf eine Seitenmoräne, deren zugehörige Gletscher leider erst weiter oben anfing bzw. zu überqueren ist. Wir gewannen schnell an Höhe und stiefelten durch die Dunkelheit. Nur der Lichtkegel der Stirnlampe bot etwas Helligkeit. Die umliegenden Gipfel waren nicht zu sehen. Nach einer gewissen Zeit (keine Ahnung wie lange wir unterwegs waren), kamen wir zum Gletscher. Ab diesem Zeitpunkt wurden wir von Michael an die Leine genommen. Was bedeutete: Gurt und Steigeisen anlegen und anseilen! Schlagartig sank auch die Temperatur, vergleichbar mit dem Öffnen einer Gefriertruhe. Michael führte unseren Trupp an, so ging es weiter durch die Dunkelheit.
Auf dem Gletscher gewannen wir schnell an Höhe, bis wir an ein steileres Stück kurz unterhalb vom Oberen Guslarjoch kamen. Dort ging es steil nach oben und einige Spalten waren zu erkennen. Michael führte uns durch diese bizarre Welt. Auf einmal knackte es laut unter mir, dass ich in Schockstarre fiel. Weitergehen und fallen? Aber Stehenbleiben ergab auch keinen Sinn. Was tun? Das Herz hing mittlerweile irgendwo in der Hose und der Gedanke „gleich liegst du unten“ setzte sich im Kopf fest. Also langsam einen Schritt vor den anderen machen und weiter gehen. Geschafft! Es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Weder mein Cousin noch meine Schwester sagten einen Ton. Jeder hatte an dieser Stelle ein ungutes Gefühl. „Du weißt schon, dass es mir gerade etwas anders wurde?“ sagte ich zu Michael. O-Ton: „Ja, dachte ich mir schon“ und lachte nur. Bergführer sind schon ein Völkchen für sich – natürlich positiv gemeint, sie haben einfach einen besonderen Humor.
Am oberen Guslarjoch auf ca. 3300m angekommen kam die Morgendämmerung so langsam hervor. Die umliegenden Gipfel waren schemenhaft zu erkennen.

Ab hier waren es noch 200 Höhenmeter und wir lagen super in der Zeit. Laut Michael wurde es jetzt noch steiler. Kam uns gar nicht so vor und so erreichten wir um 6:30 Uhr den Gipfel! Sonnenaufgang auf über 3500m in meiner zweiten Heimat – ein Traum wurde wahr!

Die Sonne kam langsam hervor und wanderte ins Tal. Trotz der Kälte genossen wir diese unvergesslichen Momente als erste an diesem Tag oben am Gipfel. Das Wetter war fantastisch und dementsprechend war die Fernsicht auch grandios. Michael meinte, dass diese zwischen 150 und 200km liegen müsste. Somit konnten wir die 4000er in der Schweiz, aber auch die Dolomiten erblicken. Darauf einen Gipfelschnaps!
Jeder schöne Moment geht einmal zu Ende und nach ca. 30 Minuten auf dem Gipfel machten wir uns wieder auf den Rückweg. Wie Bergsteiger Hans Kammerlander schon sagte „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm.“ Zurück ging es nicht auf demselben Weg, sondern über den Grat auf der gegenüberliegenden Seite. Auch hier verwirrte uns Michael mit seinem trockenen Humor. Wir erkannten einfach keinen anderen Weg! Michael deutete dann in die entgegengesetzte Richtung und meinte „Na da geht’s lang“. Weit und breit kein Weg, einfach nichts zu erkennen – also für uns. Aber gut, wenn Michael das sagt, dann wird es schon stimmen. Und wir kletterten über den Grat wieder Richtung Gletscher. Links ging es nach unten…so ca. 200m und auf der rechten Seite sah es auch nicht besser aus. Aber wir kamen nach einigen Kletterpassagen wieder am Gletscher an. Gefühlt ging es anschließend querfeldein über den Gletscher.
Weiter unten, als der Adrenalinpegel sich etwas senkte, bekamen wir noch etwas Gletscherkunde von Michael. Was im Nachhinein gesehen auch wieder lustig war.

„Worin besteht der Unterschied zwischen den hellen Flächen und denen daneben?“
„Das weiße ist Altschnee und darunter ist eine Gletscherspalte. Quasi wie in Trichter aufgebaut. Man weiß aber nie, wie dick diese Schneefläche ist.“
„Ah! Und warum stehe ich gerade auf so einer Fläche?“
„Keine Angst, wenn sie nicht halten würde, hättest du es schon gemerkt.“

Und so ging es weiter über den Gletscher. Der flache Gletscher ist übrigens genauso gefährlich, wie ein steiler Abschnitt. Es ist sehr trügerisch anzunehmen, dass es dort sicherer sei. Wer ohne Seilschaft auf dem Gletscher unterwegs ist und ihm passiert etwas, kann sich nicht sicher sein, wieder lebend ins Tal zurückzukommen. Ich kann es nur wiederholen: Safety first!
Gegen 9 Uhr morgens kamen wir wieder am Ausgangsort, der Vernagthütte, an. Manche Besucher waren gerade am Aufbruch, wir hatten unsere Tour schon beendet. Nachdem wir bei einem Kaffee bzw. Cola von unserem Erlebnis berichteten, meinte Hüttenwirtin Angelika, dass wir ziemlich Glück gehabt hatten, denn solche Sonnenaufgänge gäbe es nur ca. 3-5x im Jahr. Selbst Michael, der im Sommer fast jeden Tag auf den Gipfeln unterwegs ist und wahrscheinlich schon alles gesehen hatte, musste diese Gunst nutzen und bei dem Wahnsinns-Licht Bilder machen.

Theoretisch hätten wir von der Vernagthütte den gleichen Weg nach Vent zurücklaufen können, den wir hoch gekommen sind. Praktisch sind wir allerdings einen „kleinen“ Abzweig zur Hütte „Hochjoch-Hospiz“ gegangen. Nachdem mein Cousin und ich die letzten Tage jeder schon mal einen Wunsch durchgesetzt hatten, fehlte noch die dritte im Bunde, meine kleine „Schwester“, die noch etwas Abwechslung wollte. Somit hat jeder von uns dreien seinen Willen erreicht. ;) Vom Hochjoch-Hospiz ging es nach einer weiteren kleinen Stärkung durch das Rofental wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt Vent. Abschließend noch ein paar Bilder von unserem Abstieg. Und selbstverständlich die Statistik:

Der Zufall wollte es, dass wir 150 Jahre nach der Erstbesteigung des Fluchtkogels von Franz Senn, Valentin Kaltdorff und Julius Scholz (mit den Führern Alois Ennemoser und Gabriel Spechtenhauser) auf dem Gipfel standen. Franz Senn war einer der Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins. Welcher 2019 sein 150jähriges Bestehen feierte.
Ja, für mich war es definitiv das (Berg-) Highlight in diesem Jahr. Auf welchen Gipfel es mich in 2020 verschlägt, ist noch nicht beschlossen. Aber irgendeinen werden wir uns schon ausgucken.

Habt Ihr schon mal einen ähnlichen Gipfel bestiegen? Oder Fragen zu solchen Touren? Schreibt gern in den Kommentaren und/oder den bekannten Social Media Kanälen.

Update 12.11.2020 – die Tour(en) sind jetzt auch auf Komoot zu finden:
Vent – Wildes Mannle – Breslauer Hütte – Urkundkolm – Vent
Vent zur Vernagthütte
Sonnenaufgangstour auf den Fluchtkogel

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