Tschüss - #AltesBlechAlteGrenze

Anzeige

Im letzten Blogpost führte uns die Straße weiter Richtung Südwesten. Genächtigt hatten wir in Halberstadt, einer Kreisstadt im Landkreis Harz. Leider waren wir nur relativ kurz in Halberstadt, denn auf den ersten Blick ist es ein sehr schönes Städtchen. Geographisch im Harzvorland gelegen, gibt es dort auch schöne Strecken zu fahren.

Dies konnten wir unter anderem auf unserem Weg zum ehemaligen Grenzübergang Marienborn erfahren. Es war noch relativ früh am Morgen und die 45minütige Fahrt führte uns über Dörfer und kleinere Straßen bis zum Ziel: Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Ich muss gestehen, dass mir persönlich der damalige Grenzübergang völlig fremd war. Asche auf mein Haupt!
Denn damals war es DER Grenzübergang zwischen Ost und West. Er lag ca. 1,5km auf dem Gebiet der DDR und war lange Zeit die einzige Möglichkeit überhaupt nach West-Berlin zu gelangen. Wie bekannt, wurde Deutschland nach Kriegsende in verschiedene Zonen unterteilt und bekanntermaßen war im Osten die Sowjetische Zone. Um allerdings nach West-Berlin zu kommen, musste man entweder fliegen oder die Transitroute nehmen. Kurz nach Kriegsende bzw. zu Beginn der Zonengrenzen durften nur Alliierte Fahrzeuge passieren. Die Personen in den Fahrzeugen durften auf der ganzen Strecke die Fahrzeuge nicht verlassen. Man kann es sich kaum vorstellen, aber Navigationssystem, wie wir sie kennen, gab es ja damals noch nicht und die Straßen waren kurz nach dem Krieg entsprechend zerbombt. Also kam es durchaus vor, dass sich ein Fahrzeug verirrte. Aussteigen durften die Insassen nicht, also wurden sie von den eigenen Truppen gesucht und mussten so lange warten.
Zwischen Juni 1948 und Mai 1949 wurde der Grenzübergang komplett gesperrt. Für Ost-Bürger wurde erst später (1952) eine 5km Sperrzone eingerichtet, in der Personen sich nur mit Sondergenehmigung aufhalten durften. Der Grenzübergang, wie er heute noch (teilweise) zu sehen ist, wurde erst später errichtet. Bei einer Bauzeit von zwei Jahren und Kosten von ca. 70 Millionen Mark entstand die riesige Anlage. Übrigens war die Planungsphase um einiges länger: Ganze 10 Jahre! Der Stromverbrauch des Grenzübergangs entsprach der Menge einer Kleinstadt. Die insgesamt 12 Flutlichtmasten beleuchteten das Gelände immer blend- und schattenfrei aus. Wenn man die reine Anlage betrachtet, ist es schon beeindruckend. Der Übergang wurde im 3-Schicht-System betrieben und es waren dort insgesamt ca. 1000 Personen beschäftigt. 400-500 davon beim Ministerium für Staatssicherheit und ca. 200 Personen in zivil, welche die Strecke abfuhren.

Des Weiteren war der Grenzübergang auch ein wichtiger Posten im ganzen DDR-Haushalt. Die zu Spitzenzeiten ca. 12 Millionen Transit-Fahrzeuge jährlich erwirtschafteten ca. 100 Millionen DM. Dazu kamen bis zu 850 Millionen für die Zollabwicklung. Die Abfertigung selbst dauerte minimal 25 Minuten, konnte sich aber auch bis zu 5 Stunden hinziehen. Das wusste man vorher nie. Selbstverständlich wurde über den Übergang auch versucht aus der damaligen DDR zu fliehen. Man geht von ca. 2000 Fluchtversuchen insgesamt aus. Einige schafften es, wie z.B. 1963 ein Ikarus-Bus. Andere blieben hängen, z.B. 1981 als jemand mit einem Tanklaster flüchten wollte. Wie sah es 1989 aus? Eine Geschichte, die sich rund um die Grenzöffnung erzählt wird, lautet: Abends am 9. November kam eine Mutter mit ihrer 16-jährigen Tochter in einem Wartburg und fuhr einfach von Ost nach West. Als sie später wieder zurückkam, schauten die Grenzbeamten ungläubig, denn damit hatten sie nicht gerechnet. Sie soll nur trocken gesagt haben: „Ich muss morgen wieder arbeiten.“  Insgesamt war es am 09. November 1989 am Grenzübergang aber recht unspektakulär. Erst in den darauffolgenden Tagen änderte es sich und Massen an Menschen/Fahrzeugen kamen und überquerten die Grenze.

Wir hätten mit Sicherheit dort noch ein paar weitere Stunden verbringen können, wir hatten eine wirklich spannende Führung. Aber im Anschluss führte uns der Weg jetzt endgültig Richtung Süden zum heißesten Punkt des Kalten Krieges: Point Alpha.
Ab Marienborn lagen noch ca. 3,5h Fahrt vor uns. Was mir persönlich im Scorpio nicht wirklich schwer fiel. Point Alpha liegt an der jetzigen Landesgrenze zwischen Thüringen und Hessen, früher also der innerdeutschen Grenze und somit in der schönen Rhön. Heute steht das ganze Gebiet (ca. 100.000 Quadratmeter) unter Denkmalschutz und dient als Mahnmal. Observation Post Alpha, so der original Name, war ein Beobachtungspunkt der US-Armee in Richtung Osten. Strategisch super gelegen. Zum einen wegen den geographischen Verhältnissen und zum zweiten wegen der vermuteten Einfallslinie der Truppen des Warschauer Paktes – die sogenannte „Fulda Gap“ (wurde in der DDR „Thüringer Balkon“ genannt).  Damals ging man davon aus, dass die Truppen des Warschauer Paktes nach Westen vordringen könnten und mit einer schnellen Bewegung bis nach Frankfurt durchstechen wollten. Somit wäre die Rhein-Main Air Base, der wichtigste NATO-Luftwaffenstützpunkt in Europa, faktisch ausgeschaltet worden. Dies war ein mögliches Szenario und um dies zu verhindern, wurden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen – im Falle eines Falles sogar der Einsatz von taktischen Kernwaffen.

Vor Ort waren immer ca. 30-40 Soldaten, allerdings keine Kampftruppen. Diese waren im Hinterland stationiert und durften offiziell nicht näher als 5km an die damalige Grenze. Am Point Alpha ist die Grenzanlage noch zu sehen – sowohl die westliche als auch die östliche Seite. Hier kann man genau anschauen, wie nah sich die beiden Seiten eigentlich standen. Und wie gefährlich es im Grunde auch war. Im Nachhinein betrachtet dürfen wir froh sein, dass es nicht zum (vermutlich) 3. Weltkrieg kam. Vermutlich wäre dann nicht mehr viel von Deutschland übriggeblieben – egal ob im Westen oder im Osten. Mittlerweile dient Point Alpha als Mahn-, Gedenk- und Begegnungsstätte. Die „Spirale des Friedens“, eine dreiteilige Windspirale symbolisiert die friedliche Welt – hoffentlich für immer.

Später, als wir noch ein paar Bilder machten, kamen wir mit Arnold und Elke aus dem benachbarten Geisa (Thüringen) ins Gespräch. Ein älteres Ehepaar, das ca. 500m entfernt vom Grenzzaun wohnte. Und heute noch genauso, natürlich ohne Zaun. Da sie in der Sperrzone wohnten, bekamen sie einen kleinen Zuschlag in Form von Geld. Besuch konnten sie nicht empfangen, sondern mussten sich außerhalb der Sperrzone treffen und wenn sie ihr Feld bewirtschaften wollten, mussten sie dies erst anmelden, damit ein Grenzpolizist mit vor Ort war. Für sie war es selbstverständlich, dass Westfernsehen geschaut wurde. Natürlich nicht offiziell, versteht sich von selbst. Von Fluchtversuchen selbst haben sie nichts mitbekommen, außer dass ab und an Hundegebell zu hören war. Dies könnte allerdings auch z.B. ein Wildschwein gewesen sein. Elke erzählte noch, dass sie als Kind mit dem Fahrrad unbeabsichtigt zu nah an die Grenze fuhr, bemerkt wurde und daraufhin nach Hause gebracht wurde. Die Eltern bekamen eine Belehrung und am nächsten Tag musste sie in der Schule vorsprechen. Heute sieht sie es locker, aber damals ging ihr ganz schön die Düse. Nachdem die Grenze weg war, fuhr Elke gleich mit dem Fahrrad in die nächste Ortschaft. Einfach so, „um zu schauen“. Arnold kaufte sich mit dem ersten „Westgeld“ eine Bohrmaschine – praktisch veranlagt. Leider, aber auch irgendwie verständlich, verbannte er seinen Trabi bzw. verbrannte damals die Karosserie. „Ich wollte keinen Trabi mehr haben!“ und ergänzte: „10 Jahre habe ich auf diesen warten müssen.“ Für sie war die Grenze einfach da und es war nichts Besonderes – sie wuchsen damit auf. Schon irgendwie beeindruckend, wenn man auf der Grenze (Kolonnenweg) steht, mit Personen spricht, die nur 500m weiter aufgewachsen sind und die Geschichte hautnah miterlebt haben. Für uns ging der Roadtrip so langsam zu Ende. Wir genossen noch die Fahrt durch die Rhön und kamen am frühen Abend bei mir zu Hause an. Dort zauberte ich uns einen Kaiserschmarrn zum Abschluss und dann wurden am nächsten Tag unsere schönen Youngtimer leider wieder abgegeben. Es war ein wirklich toller Roadtrip mit super vielen Eindrücken! Möge der nächste kommen!


Vorab habe ich aber noch ein paar Outtakes für Euch! Also im nächsten Blogpost.

Mehr zum Roadtrip #altesblechaltegrenze findet Ihr natürlich auch auf den Blogs von Sebastian und Daniel.


Zwecks Transparenz: Ohne grandiose Partner wäre so ein Roadtrip nicht möglich gewesen. Deshalb ein dickes Dankeschön an: Dunlop, Opel, Volkswagen, Ford Deutschland, Tourismusregion Sachsen, Tourismusregion Fichtelgebirge, Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth, August Horch Museum in Zwickau, Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn und Gedenkstätte Point Alpha.
Bilder von Marcel Langer, Daniel, Sebastian und mir.

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert