Weiter ging es auf dem Grenzgänger, immer entlang der Deutsch-Österreichischen Grenze, die man auf der Route mindestens einmal pro Tag überquert. Und je nach Etappe sogar mehrmals.
Nach der Übernachtung auf der urigen Willersalpe ging es früh auf zur Etappe 2 des Grenzgängers. Diese begann mit einem Aufstieg 600 Höhenmeter rauf auf das Geißeckjoch, von wo man eine herrliche Aussicht genießen kann.
Gut gelaunt liefen wir auf dem schmalen Pfad entlang und stoppten zwischendurch, um eine Herde Gämse zu beobachten. Bzw. EINE wäre untertrieben. Es waren mindestens drei entlang der Strecke zu sehen und zusätzlich noch ein paar vereinzelte Tier. In meinem bisherigen „Bergleben“ (und das ist schon eine gewisse Weile) habe ich sehr selten so viele Gämse auf einem Fleck bzw. einer Ecke gesehen. Also ein ideales Gebiet für diejenigen unter Euch, die gerne Tiere beobachten. Apropos Gams: Während wir im Lauf des Tages vor uns hin wanderten und (mal wieder) ein Joch überquerten, ging ich voraus. Und als ich um die nächste Kurve bog, stand ca. fünf Meter von mir entfernt eine ausgewachsene Gams, fauchte mich an und wir starrten uns in die Augen. Dies allerdings nur kurz, denn so schnell wie sie da war, war sie auch wieder weg. Was haben wir uns erschrocken – also die Gams sich und ich mich. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich überhaupt nicht, dass Gämse fauchen können. Auf dem Grenzgänger lernt man auch als alter „Berghase“ noch etwas dazu!
Oben am Geißeckjoch überquerten wir zum ersten Mal die Grenze. Und trafen vor Ort einen Trupp Gebirgssanitäter, die zur Übung unterwegs waren. „Dann sind wir im Notfall ja in guten Händen und werden nach unten getragen“ war mein spaßig gemeinter Smalltalk. Der allerdings nicht so gut ankam – und überhaupt waren wir dafür schließlich nicht hoch genug (getragen wird erst ab einer Hubschrauber-untauglichen Höhe!). Ok, ok, als der Leiter des Trupps aber meine DAV-Nadel zur 25jährigen Mitgliedschaft sah, war das Eis wenigstens etwas (an)gebrochen.
Vom Geißeckjoch ging es bergab an der vorderen Schafwanne, mit dem wunderbar grün-türkisen Vilsalpsee im Blick. Unser Tagesziel war die Landsberger Hütte. Lässige 6 Stunden Gehzeit und ein paar Höhenmeter. Vorbei am Rauhhorn über das nächste Joch näherten wir uns dem Schrecksee. Bisher hielt das Wetter, doch kurz vor dem Schrecksee schlug es um. Wir hatten Glück und konnten noch einen kurzen Blick auf einen der bekanntesten Seen der Gegend erhaschen, bevor er ganz im Nebel verschwand. Wir legten einen Zahn zu, um auf jeden Fall sicher ans Ziel kommen. Aufgrund des Regens am Vortag war der Weg sehr matschig. Was will man machen – da muss man durch! Über das nächste Joch drüber sah es aber wettertechnisch schon wieder besser aus. Die Wolken verabschiedeten sich in etwas höhere Gefilde. Was auch besser war, denn an einigen Stellen ist unbedingt Trittsicherheit angebracht. Und an ein, zwei Stellen fehlt (meiner Meinung nach) noch eine Hilfe (also ein Stück Drahtseil oder Eisenstufen). Aber das kommt sicher noch, denn der Wegebau am Grenzgänger ist noch nicht abgeschlossen und wird in der nächsten Zeit stetig erweitert.
Kurz vor dem letzten Etappenstück setzte wieder leichter Regen ein und wir kamen somit etwas nass an der Landsberger Hütte an. Laut Wegbeschreibung sollte man die DAV-Hütte schon ein ganzes Stück vorab im Blick haben, bei uns waren die Wolken so dicht, dass wir sie erst im letzten Moment erblicken konnten. Auf der Landsberger Hütte herrscht im Gegensatz zur Willersalpe sehr reger Betrieb. Sie hat insgesamt 170 Matratzenlager und 30 Betten zu bieten. Bei unserer Ankunft war die Hütte sehr gut besucht, was man im Trockenraum deutlich zu spüren bekam. (ich sage nur: Der Tod von Forchheim ist nichts dagegen!). Wie es halt so ist, wenn ein Haufen Wanderer nach einem langen Tag die dampfigen Schuhe auszieht…
Das Essen auf der Hütte ist trotz der benötigten Mengen super und abends gibt es sogar für 30 Minuten Wlan auf über 1800 Metern. Von jetzt auf gleich herrscht eine Stille in der ganzen Hütte, dass man sich zunächst ganz schön wundert, wenn man nicht ahnt, warum. So schnell schaut man nicht und keiner spricht mehr. Nach 30min geht das Gebrabbel aber sofort wieder los. 😉
Von unserem Zimmer aus hatte man einen Wahnsinnsausblick – wie Ihr sehen könnt – der sich nach dem Aufwachen auch bei schönstem Wetter zeigte. Unser Zimmer war voll belegt und beim Ins-Bett-Gehen wunderte ich mich etwas über den leichten Kuhstallgeruch. Was aber, wie uns am nächsten Morgen einfiel, wohl an uns lag bzw. unseren Hüttenschlafsäcken, die auf der Willersalpe etwas Geruch angenommen hatten. Es gibt Schlimmeres, wir waren früh beim Frühstück und dann ging es auf zu Etappe 3!
Mit einer angegebenen Dauer von ca. 6 Stunden geht Etappe 3 entlang des Jubiläumswegs zum Prinz-Luitpold-Haus. Wir gingen zunächst ein kleines Stück von Etappe 2 zurück, bogen dann aber am Westlichen Lachenjoch nach links ab. Kleine Empfehlung am Rande: Immer die Umgebung im Auge behalten, denn es könnten sich hier Murmeltiere tummeln. Wir hatten Glück und haben einige der kleinen Bergnager zu Gesicht bekommen. Kurz nach dem Abzweig gab es ein etwas schwierigeres Stück mit Drahtseil, danach schlängelte sich der Weg immer leicht bergauf und bergab, vorbei an schönen Berghängen. Und immer wieder mit dem Hochvogel im Blick. Alles in allem sehr schön zu laufen, mit der ein oder anderen anspruchsvolleren Ecke. Unterwegs trafen wir auch die Jungs vom „Sicherungstrupp“, die gerade ein Gatter anbrachten (und da es noch nicht fertig war, zum Glück keinen Zoll kassieren wollten – kleine Scherze am Rande).
Auf dem Jubiläumsweg waren übrigens ein paar mehr Wanderer unterwegs, als am Vortag. Viele liefen die umgekehrte Richtung vom Prinz-Luitpold-Haus in Richtung Schrecksee und trotzdem hat man über längere Stücke herrlich seine Ruhe.
Kurz vor der Lärchwand, nachdem wir einen Großteil der 3. Etappe schon geschafft hatten, trafen wir den Sicherungstrupp wieder.
Auf den Bildern sieht der Einstieg in die Lärchwand relativ harmlos aus, von weiter weg auch noch. Aber sowohl entgegenkommende Wanderer als auch die Einheimischen erzählten vom doch ziemlich anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad. Je näher man kam, desto mehr Drahtseil, ausgesetzte Stellen und Abhang wurden sichtbar. Für mich kein Problem, aber da Jacky sich nicht ganz wohl bei der Sache fühlte und ich nichts riskieren wollte, entschieden wir uns für den Abstieg zum Giebelhaus, an dem wir kurz vorher vorbeigekommen waren.
Der Abstieg erfolgte über Weiden und vorbei an grasenden Kühen. Die übrigens keine Anstalten machten, aus dem Weg zu gehen. Also machten wir den ein oder anderen Bogen. Am Giebelhaus angekommen, erwischten wir gerade noch den Tälerbus zurück Richtung Hinterstein und wir konnten uns nach der ohnehin schon verlängerten Etappe ein paar Kilometer sparen. In Hinterstein hatten wir ein zweites Mal Glück und bekamen spontan noch das letzte Zimmer in der schönen Pension Hochvogel.
In meinem Leben war ich schon auf einigen Gipfeln. Ob leicht, mittel, schwer – oft kein Problem. Aber nicht immer gelang es mir, dort anzukommen, wo es ursprünglich geplant war. In jungen Jahren fuchste es mich ungemein, doch mit genügend Abstand weiß ich, dass es manchmal besser ist, umzudrehen. Sobald sich jemand unsicher fühlt, siegt die Vernunft. Punkt! Es kann das Wetter sein, die Höhenkrankheit, Unsicherheit oder was auch immer – das ist alles kein Problem. Lieber rechtzeitig umdrehen, als auf die Bergwacht angewiesen zu sein oder Schlimmeres. Das war, ist und sollte immer die Regel sein! Das ist übrigens auch kein Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil. Echte Bergsteiger wissen, wovon ich rede.
Trotzdem waren wir an diesem Abend etwas geknickt, dass wir nicht im Prinz-Luitpold-Haus angekommen sind. Aber die Vernunft siegte. Auch nicht schlecht, denn so ließen wir den Abend mit einem guten Essen ausklingen und schmiedeten Pläne für den nächsten Tag.
Ein dickes Dankeschön geht auch an das ganze Team vom Grenzgänger, die dieses Erlebnis überhaupt erst ermöglicht haben.
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Ich glaube nicht, dass diese Landschaften existieren! Wunderschöne Aufnahmen, gut gemacht!