Nachdem ich der Felbertauernstraße einen Besuch abgestattet hatte, ging es für mich direkt weiter nach Italien. Genauer gesagt nach Cortina d’Ampezzo im Rahmen einer Pressereise. Cortina ist vielen bestimmt ein Begriff, zumindest den Wintersportfans unter uns, denn es ist ein renommiertes Wintersportzentrum. Die Älteren werden sich evtl. noch an die Olympischen Winterspiele 1956 erinnern. Alle anderen können sich jetzt schon das kommende Jahr vormerken, denn 2021 findet in Cortina D’Ampezzo erneut die Alpine Skiweltmeisterschaft statt. Und 2026, gemeinsam mit Mailand, die Olympischen Winterspiele, die vom 6. Februar bis 22. Februar stattfinden werden. Also tragt die Termine ruhig schon einmal in den Kalender ein!
Cortina d’Ampezzo gehört zur Region Venetien und neben Italienisch wird in dieser Gegend auch Ladinisch gesprochen. Dabei handelt es sich um eine eigene Sprache, die nur in ein paar Alpentälern verbreitet ist und aktuell noch von insgesamt ca. 30.000 Personen gesprochen wird. Zum ersten Mal hatte ich Ladinisch im Val Badia (Gadertal) gehört und war begeistert. Zwar kein Wort verstanden, aber trotzdem. Ladinisch war mal die verbreitetste Sprache in der Alpenregion und es gibt unterschiedliche Dialekte. Diese sind von Tal zu Tal verschieden und so kann es durchaus sein, dass man sich nicht auf Anhieb versteht. Meistens klappt es dann aber doch und falls nicht, Ladinisch kann man sehr gut mit italienisch kombinieren – so habe ich mir sagen lassen. Wir sprachen im Rahmen unserer Pressereise mit Elsa Zardini über die Kultur, die Sprache und die Region. Elsa ist Präsidentin der „Union de i Ladis de Anpezo“ und steht für alle fünf ladinischen Täler ein. Wer sich für die Traditionen interessiert, dem kann ich das völkerkundliche Museum wärmstens empfehlen.
Leider wird Ladinisch in Cortina nicht in der Schule gelehrt, so wie z.B. in Südtirol. Deshalb ist es umso wichtiger, die Sprache weiterhin zu erhalten.
Die Region um Cortina d’Ampezzo hat eine bewegte Geschichte hinter sich. So gibt es z. B. heute noch eine Art Selbstverwaltung, die „Regole“, welche bis zum 6. Jahrhundert zurückgeht. Alm- und Forstwirtschaft wird gemeinsam zum Wohle aller betrieben und noch heute wird dort kaum Privatbesitz zugelassen. Sämtliche Bebauungswünsche, Änderungen oder was auch immer, müssen erst durch die Augen der Regole laufen. Ziel dahinter ist, die Geschichte zu erhalten, aber auch die Region zu schützen. Auch der Naturpark Ampezzaner Dolomiten wird von den Regole verwaltet, im Gegensatz zu allen anderen Naturparks, die sich in öffentlicher Hand befinden. Wir bekamen einen spannenden Einblick in die Geschichte der Region mal außerhalb des Wintersporttourismus. Für mich sehr sympathisch, denn auch im Spessart gibt es noch ein paar alte Regeln, z.B. im Bereich Holzrechte. Diese gibt es ebenfalls nur im Spessart und wehe es mischt sich München oder Berlin ein!
Da wir schon bei Besonderheiten sind, verschlug es uns gleich am Anreisetag per Lift (und Ski) zum Starlight Room Dolomites 360°. Hierbei handelt es sich nicht um eine normale Hütte, sondern um eine um 360° drehbare mobile Unterkunft aus Holz und Glas. Der Starlight-Room liegt oberhalb der Col Gallina Hütte am Passo Falzarego. Beide Hütten sind im Besitz von Raniero Campigotto. Als er bei einer seiner Skitouren an diesem herrlichen Fleckchen Erde vorbeikam, packte es ihn und er dachte sich: „Warum soll nur ich diesen wunderschönen Ausblick genießen können?“ So war seine Idee geboren, hier etwas Besonderes hinzustellen, und einige Zeit später (genauer gesagt 2017) standen die 11qm Wohnfläche auf genau diesem Platz. So ist es jetzt möglich die Rundum-Aussicht zu genießen oder auch einfach nur vom Bett aus auf seinen Lieblingsgipfel zu blicken.
Innerhalb von 28 Minuten ist alles aufgebaut (quasi Lego in groß) und auch wieder abgebaut. Auch bei schlechtem Wetter oder sogar Gewitter muss man keine Angst haben, denn die Hütte ist wie ein faradayscher Käfig gestaltet und bietet dadurch Schutz. Heizung und Toilette sind natürlich vorhanden und um die Versorgung, wie Abendessen oder Frühstück, muss man sich keine Sorgen machen. Der „Lieferservice“ ist inklusive. Preislich liegen wir allerdings bei 650 Euro für eine Nacht inkl. Transport, abendlichem 3-Gang Menü (mit Wein) und Frühstück. Es soll ja auch schließlich etwas ganz Besonderes sein. Die Aussicht am Abend allein auf dem Berg muss gigantisch sein. Vermutlich würde ich nur in den Himmel schauen und das Schlafen vergessen.
Aber was wäre Cortina ohne Ski fahren? Fast unmöglich! So ging es für uns am nächsten Tag auf die Piste. Wettertechnisch hatten wir Glück, Sonnenschein war angesagt. Ein Blick aus unserem Hotel bestätigte dies. Wir übernachteten im Hotel Majoni, einem typisch italienischen Hotel, aber mit ungewöhnlich großer Frühstücksauswahl und zentral gelegen. Die Piste wartete und es ging ins Skigebiet Faloria-Cristallo, welches zum Verbund Dolomiti Superski mit insgesamt 12 verschiedenen Skigebieten gehört, die man alle mit nur einem Pass nutzen kann. Wir trafen auf die Skilehrer der Scuola Sci Cortina. Ein lustiger Haufen, aber immer mit der nötigen Ernsthaftigkeit. Profis halt! Die Skischule wurde schon 1933 gegründet und war die erste Skischule Italiens. Aktuell sind 130 Skilehrer/innen im Team und sie dürfen als einzige die Olympischen Ringe im Logo tragen – weltweit!
Blauer Himmel, etwas Neuschnee und schöne Berge – was will man mehr? Somit genossen wir unsere Abfahrten durch die verschneite Landschaft. Die Dolomiten sind schon etwas ganz Besonderes. Einen Vergleich mit einem anderen Skigebiet zu ziehen, ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Die Landschaft gepaart mit der schönen Aussicht, im Hintergrund die Cinque Torri – einfach einmalig. Es könnte sein, dass ich Sonnenbrand auf den Zähnen bzw. dem Zahnfleisch bekam. Einfach nur, weil es so herrlich war und ich dauernd über alle vier Backen grinsen musste.
Wer Sport macht, darf auch rasten. Und so machten wir einen Zwischenstopp im Rifugio Capanna Tondi. Neben dem obligatorischen Hopfenkaltgetränk musste ich die berühmten Casunziei probieren, gefüllte Nudeln in Halbmondform. Ein typisch ladinisches Gericht und äußerst lecker!
Wie es immer so ist, vergeht die Zeit wie im Flug und gerade beim Skifahren vergeht sie gefühlt noch viel schneller. An diesem Tag stand noch ein weiteres Skigebiet auf dem Programm, rund um die berühmten Cinque Torri. Was ich vergessen hatte zu erwähnen – am frühen Morgen hieß es: Pack die Badehose ein. Natürlich, man fährt immer mit einer Badehose im Gepäck Ski. ;). Nun, wir genossen zunächst ein paar Schwünge und fuhren mit einem Doppelsessellift, der gefühlt aus den 80ern ist. Entschleunigung pur! Mit dem Lift langsam nach oben zu fahren wird gerne unterschätzt. Für mich ist es schön, wenn die verschneite Landschaft langsam an einem vorbei gleitet.
Anyway, das Skigebiet um die fünf Türme (also die Cinque Torri) ist im Vergleich zum Gebiet vom Vormittag wieder ganz anders. Gefühlt weniger „unten“, sondern eher mit Bergpanorama. Unser Ziel war am späten Nachmittag das Rifugio Scoiattoli. Der Name „Scoiattoli“ lässt sich übrigens mit „Eichhörnchen“ übersetzen. Das Rifugio bietet einen kleinen Außenpool auf 2255m Höhe, quasi ein großes Holzfass, mit frischem Wasser gefüllt und per Holz auf Temperatur gebracht. Die Idee kam vom Chef (der die Hütte von den Regole gepachtet hat) und existiert schon seit mehr als 10 Jahren. Wir kennen es von den Finnen, die gerne draußen baden. So etwas musste auch in den Bergen möglich sein, war sein Gedanke. Und zack, da stand der Hot Tube. Und da wir in Italien sind, wo der Aperitivo einfach dazu gehört, wird hier beides kombiniert. „Der Aperitivo ist eine wunderbare Erfindung, die die endlos scheinende Zeit zwischen Feierabend und Abendessen erträglich macht.“ So sagt man. Also rein in die Badehose und ab in den Hot Tube. Draußen waren es so um die Minus 8 Grad, drinnen angenehm warm.
So genossen wir die Umgebung und unseren Aperitivo auf dem schwimmenden Holzbrett. Beim Ausstieg war es anschließend doch etwas frischer, aber was tut man nicht alles. Dieser Hot Tube kann natürlich auch gemietet werden und ist schon ein Highlight. Hey, ab sofort wird natürlich immer mit Badehose Ski gefahren! 😉 Man weiß ja nie, was kommt. Nach einem Tag auf Skiern, dem warmen Wasser und anschließenden Essen hätte ich (fast) im Stehen einschlafen können, und so ging für uns ein wunderbarer Tag zu Ende.
Auch am nächsten Tag erwartete uns herrliches Wetter. Es war unser letzter Tag in Cortina d’Ampezzo – leider. Das dritte Skigebiet der Gegend stand heute auf unserem Programm, die legendäre „Olympia delle Tofane“. Und das mit keinem geringeren als mit dem sympathischen Kristian Ghedina, einem der erfolgreichsten Abfahrtsläufer Italiens. Kristian ist das Gesicht/Testimonial für die Alpine Skiweltmeisterschaft im nächsten Jahr. Und man spürt sofort, dass er Feuer und Flamme für seinen Sport, aber auch für die Region ist. Mit ihm waren wir also unterwegs auf den Abfahrtsstrecken, die z.T. auch im Rahmen der Weltmeisterschaften gefahren werden. Natürlich bei uns nicht ganz so schnell wie Kristian (und ohne seinen berühmten Grätschsprung), aber der Tofanaschuss mit seinen 70% Gefälle hat es schon in sich! Das Pistenerlebnis mit Kristian Ghedina kann man übrigens auch über die Skischule buchen, wenn man einmal ein besonderes Erlebnis haben möchte.
Zwischendurch machten wir Halt in der Berghütte Rifugio Pomedes. Auf dieser Hütte hat man einen super Überblick über Cortina und die umliegende Bergwelt. Sie hat zudem auch eine interessante Geschichte. Sie liegt auf 2340 Meter und wurde zu den Olympischen Winterspielen 1956 per Hand erbaut. Also nicht nur die Hütte, sondern das gesamte Material wurde per Hand nach oben getragen. Der Lift war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig, aber man wollte unbedingt ein Restaurant für die damaligen Winterspiele haben. Aktuell ist die Hütte in der Hand von Renata Ghedina (über ein paar Ecken verwandt mit Kristian). Ihr Großvater Luigi war es, der die Hütte erbaute. Er gründete auch die Eichhörnchen (Scoiattoli), die in Kletterkreisen berühmt sind. Zudem legte er den Klettersteig „Punta Anna Ferrata“ an, einen der berühmtesten Klettersteige der Dolomiten. Renata hat das Erbe angetreten und wird es in Zukunft auch an ihre Kinder weitergeben. So lebt die schöne Tradition weiter.
Seit Kurzem ist übrigens auch die neue Gondola Freccia nel Cielo in Betrieb, eine Kabinenbahn, die die bestehende alte Pendelbahn ersetzte und Cortina d´Ampezzo (1.224 m) mit dem Gipfel Cima Tofana (3.244 m) verbindet. Um die Landschaft zu erhalten und die Aussicht auf die traumhafte Bergwelt zu bewahren, wurde die Anlage schonend in den Felsen integriert.
Für mich war es das erste Mal in Cortina d’Ampezzo und ich muss sagen, es war toll! Also unabhängig vom schönen Wetter. Hier kommt jeder Skifahrer auf seine Kosten, von hellblau bis hin zu dunkelschwarz sind alle Pisten dabei. Über das leckere Essen müssen wir in Cortina sowieso nicht sprechen, das versteht sich von selbst.
Ein ganz dickes Dankeschön geht an das Team von Cortina d’Ampezzo und alle Beteiligten, die dieses Erlebnis ermöglicht haben.
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