Die Wildspitze – drei Tage, fünf Gipfel

16. Oktober 2023 | 3 Kommentare | Schlagwörter: , , , ,

Letzten Monat ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung: Die Besteigung der Wildspitze! Nach und nach wurden die Gedanken und Emotionen verarbeitet, die Anstrengung ließ nach und das Lächeln wird auch im Nachhinein immer stärker.

Die Wildspitze:

Die Wildspitze ist mit 3.768m der höchste Berg Nordtirols und somit auch des gesamten Ötztals. Nach dem Großglockner ist sie der zweithöchste Berg Österreichs. Mit einer Schartenhöhe (= Differenz aus der Höhe und der höchstgelegenen Einschartung bis zu der man mindestens absteigen muss, um einen höheren Gipfel zu erreichen) von 2266 Metern befindet sich die Wildspitze auf Rang vier der Alpen. Eine Besteigung ist über verschiedene Routen möglich, wobei es sich dabei immer um eine alpine Hochtour handelt. Entsprechende Vorkehrungen sind somit Pflicht!

Doch wie kam es überhaupt zu dem Wunsch? Grundsätzlich ist das Ötztal quasi meine zweite Heimat, da ich von klein auf mit meinen Eltern dort Sommer- und Winterurlaube verbrachte. Dementsprechend sind viele umliegende Gipfel bekannt. Ich mag Herausforderungen bzw. auch mal an die eigenen Grenzen zu gehen. Diese wurden bereits vor vier Jahren „kennengelernt“, als es zum Sonnenaufgang auf den 3500m hohen Fluchtkogel ging. Da die Wildspitze allerdings der „Hausberg“ vom gesamten Ötztal ist, musste sie irgendwann einfach bestiegen werden. Lange hatte ich gezögert, da es doch nochmal eine andere Hausnummer ist. Allein die Höhe (auch wenn es „nur“ noch ca. 200m mehr sind als beim Fluchtkogel) ist nicht zu unterschätzen. Und es war klar, dass wir die Route ab Vent nehmen wollten, nicht die „einfachere“ Variante von der Pitztal-Seite. Als wir, die Fluchtkogel-Crew, uns letztes Jahr trafen, wurde beschlossen, dass wir die Wildspitze 2023 in Angriff nehmen wollten. Zeitlich war Ende August/Anfang September vorgesehen. So stand zumindest der grobe Plan.

Die Vorbereitungen:

Derweil vergingen die Tage/Wochen/Monate. Zwischendurch wurde immer wieder trainiert, um die Grundkondition aufrecht zu halten. Wenn mein Körper manchmal schlapp machen wollte (ich sage nur: Probleme mit einem entzündeten Hoffa Fettkörper im Knie Anfang des Jahres), wurde er mit den Worten „du willst doch auf die Wildspitze!“ motiviert. Das trug Früchte, obwohl Geduld nicht gerade meine Stärke ist. Nach viel schonen, schonen und nochmals schonen, was gut für das Knie, schlecht für die Kondition ist, war zwischendurch ein Tiefpunkt erreicht und die Wildspitze rückte in weite Ferne. Ein paar Wochen später war das Knie aber einigermaßen in Ordnung und das Training konnte wieder aufgenommen werden. Als ob mir der Körper etwas sagen wollte, erwischte mich im Frühjahr eine starke Erkältung mit Fieber. Also wieder etwas schonen, kein Training und miese Ausgangslage. Wie dem auch sei, es konnte nur besser werden. Glücklicherweise war bis zum angedachten Termin noch genug Zeit für die Grundkondition.

Von der ursprünglich geplanten Crew blieben nur Selina und ich, die die Tour in Angriff nehmen wollten. Auf Grund von verschiedenen beruflichen Einschränkungen einigten wir uns auf die erste Septemberwoche. Zufällig hatte ich eine schöne 3-Tages-Hochtour mit Wildspitze inklusive zwei Hüttenübernachtungen gefunden: Von Vent auf das Brandenburger Haus, am nächsten Tag über den Fluchtkogel zur Vernagthütte und von dort auf die Wildspitze (und zurück ins Tal). An dieser Stelle war mein Gedanke: „Fluchtkogel waren wir schon, aber evtl. kennt Kilian für Tag 2 einen anderen Gipfel bzw. eine ähnliche Tour.“ Diese Infos (Zeitfenster/grobe Tourenplanung) waren wichtig, um die nächsten Schritte zu planen, wie z.B. bei der Bergführerstelle Vent einen Bergführer anfragen. An dieser Stelle ein Lob an Kilian und sein Team! Alle Fragen und Wünsche wurden positiv und superschnell beantwortet. Nebst Alternativgipfel. Des Weiteren noch die Unterkünfte im Tal gebucht und somit war alles geklärt.

Doch wenige Tage vor der Tour kam das starke Unwetter im Ötztal. Es regnete Tag und Nacht durch. Die Meldestufen der Ötztaler Ache verkündeten Jahrhunderthöchststände. Ein Teil der Hauptverkehrsstraße wurde weggerissen, so dass das hintere Tal nur noch über Südtirol und das Timmelsjoch erreichbar war. Unabhängig (aber auch) von der geplanten Tour zitterte ich mit den Einwohnern, denn schließlich lebt meine „Zweit-Familie“ im Tal. Gott sei Dank kam niemand ums Leben und es handelte sich „nur“ um Sachschäden. Die Ötztaler wären nicht Ötztaler, wenn sie die Straße nicht schnell wieder provisorisch reparierten. Genau einen Tag vor der geplanten Anreise wurde diese fertig, man konnte das Ötztal wieder wie gewohnt erreichen und ein potenzielles Hindernis wurde aus dem Weg geräumt. Noch einmal Glück gehabt – schon einen Tag später stand ich im schönen Bergsteigerdorf Vent bei strahlendem Sonnenschein. Die nächsten Tage konnten kommen!

Für mich war es wichtig, in Vent und damit bereits auf knapp 2000m zu übernachten, damit sich der Körper schon mal an die Bedingungen gewöhnen konnte. Eine Eingewöhnungs- bzw. Akklimatisierungs-Tour war natürlich geplant. Sie sollte nicht zu schwer sein, nicht zu lange dauern, dafür aber schon „weiter oben“ stattfinden. Am nächsten Tag stand somit eine Fahrt mit dem Lift auf 2.646m Höhe auf dem Programm und dann ging es zu Fuß weiter zur Breslauer Hütte. Auf dem sogenannten Seuffertweg ging es gemütlich weiter Richtung Vernagthütte, um kurz vor dieser weiter in Richtung Hochjoch-Hospiz abzubiegen. Von dort aus ging es dann zurück nach Vent. Obwohl es theoretisch (bis auf ein paar kleine Anstiege) nur bergab ging, war es doch eine Tour mit 610 Höhenmetern.

Hier der Komoot-Link zur Tour

Tag 1: Von Vent (1.900m) zum Brandenburger Haus (3.277m) inkl. Dahmannspitze (3.397m)

Am Abend hieß es dann den großen Rucksack packen, nochmals Zivilisation genießen und mit Vorfreude auf die kommenden Tage einschlafen. Wobei die extra zuvor gekauften warmen Sachen im Tal blieben – die Wetteraussichten für die kommenden Tage waren grandios. Treffpunkt zum Start unserer Tour war die Bergführerstelle Vent, um noch Steigeisen und Gurt auszuleihen. Nach einem kurzen Schwätzchen mit Kilian ging es voller Freude los. Das Tagesziel war das Brandenburger Haus auf 3.277m gelegen. Ohne Bergführer nicht bzw. nur mit Gletschererfahrung machbar und somit trafen wir Michael (unseren Bergführer, der uns bereits 2019 begleitete) auf der Hochjoch-Hospiz Hütte. Der Weg dahin war uns bekannt und nach einer kurzen Stärkung inkl. Plausch ging es von dort gemeinsam weiter. Der Weg schlängelte sich unaufhaltsam immer weiter nach oben und irgendwann erreichten wir den Kesselwandferner (Gletscher). Das Brandenburger Haus ist nur über Gletscher zu erreichen und dementsprechend mit der passenden Ausrüstung. So weit war die Hütte vom Kesselwandferner aus nicht entfernt, doch die Höhe machte mir bei dieser Hochtour auf den letzten Metern etwas zu schaffen, ging aber, so dass wir bei schönem Wetter am Brandenburger Haus ankamen. Was ich auf solchen Hütten liebe, ist die Tatsache, dass kein „Turnschuh-Tourist“ vor Ort ist, der am besten noch mit dem Lift bis kurz vor den Gipfel fährt. Sondern Menschen, die den Berg aus eigener Kraft geschafft haben und wissen, was so eine alpine Tour bedeutet. Man kann es schlecht erklären, aber genau dieses Feeling liegt auch in der (Hütten-)Luft. Wie dem auch sei, wir bekamen ein leckeres Essen inkl. tschechischem Bier. Theoretisch könnte man den Tag nun mit einem guten Gespräch ausklingen lassen. Da das Wetter aber perfekt war und wir noch genügend Kraft hatten, kam schnell die Idee auf, noch auf die nahe gelegene Dahmannspitze (3.397m) zu steigen – eine einfache Tour – und von dort den Sonnenuntergang zu genießen. Insgesamt waren wir eine Truppe von ca. 15 Personen und ca. 25min später standen wir schon auf dem Gipfel. Kurz vor 20 Uhr ging die Sonne unter und wirklich alle genossen diese atemberaubende Atmosphäre. Das alles in Bildern festzuhalten ist kaum möglich. Ich habe es natürlich trotzdem versucht:

Mit diesen schönen Erlebnissen/Eindrücken ging es ins Bett. Trotz der Höhe und Eindrücke konnte ich sehr gut schlafen. Am nächsten Tag ging es nach einem leckeren Frühstück weiter – die Füße/Beine wollten bewegt werden.

Hier der Komoot-Link zur Tour (Brandenburger Haus)

Hier der Komoot-Link zur Tour (Dahmannspitze)

Tag 2: Vom Brandenburger Haus (3.277m) über den Fluchtkogel (3.500m) und die Kesselwandspitze (3.414m) zur Vernagthütte (2.755m)

Nach dem Frühstück hieß es Rucksack packen (Schlafsack/Waschzeug…), Bergschuhe und Gurt anziehen und dem Brandenburger Haus nochmals winken. Ich mag übrigens die Stimmung am Morgen. Wenn jede Gruppe sich so langsam sammelt und voller Vorfreude in die unterschiedlichsten Richtungen und Touren startet. Die Freude sieht man ihnen an. Für uns ging es zurück auf den Kesselwandferner und wir stiefelten über das Eis Richtung Oberes Guslarjoch. Vor 4 Jahren kamen wir von der Vernagthütte eben dieser Stelle an. Da wir nicht wussten, ob der geplante Alternativgipfel (die Kesselwandspitze) tatsächlich begehbar war und der Fluchtkogel quasi auf dem Weg lag, nahmen wir ihn einfach nochmal mit. Tagsüber waren wir ja auch noch nicht oben. Am Oberen Guslarjoch deponierten wir unsere Rucksäcke, um die letzte Steigung bis zum Gipfel vom Fluchtkogel (3.500m) zu nehmen. Die Aussicht war wieder grandios – schön, wieder „hier oben“ zu stehen!

Vom Fluchtkogel aus sahen wir die etwas niedrigere Kesselwandspitze. Nach einer kurzen Pause ging es relativ einfach zurück zu den Rucksäcken. Diese aufgesattelt, ging es – nach Anweisung von Michael – über das Obere Guslarjoch steil hinab auf den Guslarferner. Nach kurzer Abwägung unseres Bergführers (aufgrund von Steinschlag und Gletscherspalten) ging es Richtung Kesselwandspitze. Am Rand des Gletschers wurden die Steigeisen wieder ausgezogen und es ging mit kurzer Leine (Sicherungsseil wurde kurzgehalten) nach oben durch den sehr brüchigen Fels auf den 3.414m hohen Gipfel. Auch dort wurde die Aussicht auf die umliegenden Gipfel und Gletscherweiten (z.B. den Gepatschferner) geworfen. Schon unglaublich, wie winzig der einzelne Mensch doch ist. Um die Dimensionen einmal zu verdeutlichen (zumindest versuchen zu verdeutlichen): Der Gepatschferner bildet zusammen mit dem Kesselwandferner (es ist fast keine Grenze zwischen den beiden Gletschern sichtbar) mit 18 km² die größte zusammenhängende Gletscherfläche Österreichs. Durchschnittlich hat er (der Gepatschferner) eine Eisdicke von um die 70m. Wobei diese – laut Gletscherforschern, die wir am Brandenburger Haus getroffen hatten – stellenweise auch um die 200m betragen kann. Allein die Vorstellung von 200m dickem Eis –unglaublich! Und trotzdem schmelzen die Gletscher viel zu schnell ab.

Von der Kesselwandspitze ging es wieder hinunter Richtung Gletscher über das sehr brüchige Gelände, was mich schon an meine Grenzen brachte. Aber nicht nur dort, sondern auch weiter unten, als es über Gletscherspalten von einer Tiefe bis zu 60m ging. Noch dazu, weil ich in der Seilschaft vorausgehen musste. Aber was willste machen? Zurück ist wohl kaum möglich. Ebenso wenig wie stehen bleiben. Also rüber über den Eisschlund! Im Nachhinein gesehen sind solche Grenzerfahrungen gar nicht mal so schlecht. Man springt schließlich über seinen eigenen Schatten. Als wir dann am Ende des Gletschers bzw. an unserem Ausstiegspunkt ankamen, bekamen wir sogar noch eine Gletschermühle zu sehen. Hammer, was für eine Kraft Wasser doch hat. Der weitere Abstieg zur Vernagthütte (2.755m) verlief dann easy und nach ca. 6:30h kamen wir dort an.

Auch hier genossen wir den Abend bei sehr guten Gesprächen (und ganz ohne Handyempfang) und leckerem Essen. Die anwesenden Bergführer kannten sich und beglückwünschten sich gegenseitig für die gelungene Saison und ließen diese zusammen ausklingen. Was Tradition hat, denn im Hochgebirge kann immer etwas passieren. Und unter uns gesagt: Es ist eine schöne Tradition, wenn man feiern kann, dass alle wieder gesund unten angekommen sind.

Hier der Komoot-Link zur Tour

Tag 3 – DER Tag: Von der Vernagthütte (2.755m) zur Wildspitze (3.768m) und über die Breslauer Hütte zurück ins Tal nach Vent (1.900m)

In dieser Nacht konnte ich recht schlecht schlafen. Zum einen spürte ich meine alten Knochen und zum anderen wollte mein Hirn auch alles Erlebte sofort verarbeiten. Hätte es theoretisch doch auch später machen können… aber nein. Wie dem auch sei, DER Tag stand an und sobald die ersten Sonnenstrahlen den Berg erblickten, sollte es auch schon losgehen. So war es dann auch. Nach dem Frühstück, Verabschiedung in der Hütte und dem Anlegen des Gurtes ging es hinaus in die Morgendämmerung. Im Gegensatz zu den Vortagen, an denen es doch recht warm war, war es angenehm kühl. Unser Weg führte sanft steigend Richtung Vernagtferner. Mal als Wanderweg, mal über Blockwerk und insgesamt sehr schön zu laufen. Gerade um diese Uhrzeit traumhaft. Mit dem Wissen, dass unten im Tal noch alles ruhig ist bzw. der Tag langsam beginnt. Irgendwann wurde dann der Vernagtferner erreicht und überquert. Von dort an ging es über Fels steil bis zum Brochkogeljoch (knapp 3.400m) hinauf. Persönlich war ich froh, als ich oben angekommen war. Die Anstrengung wurde mit dem Blick auf den großen Taschachferner belohnt, ein grandioser Ausblick auf den Gletscher und die umliegenden Gipfel. Im Anschluss ging es zunächst recht harmlos auf dem Gletscher weiter, denn der „Hintere Brochkogel“ musste quasi umrundet werden. Als dies stattgefunden hatte, zeigte sich die Wildspitze ganz nah. Vorbei an weiteren Gletscherspalten verließen wir kurz darauf den Ferner, stiegen weiter über Fels auf und erreichten den Gipfel mit 3.768m! Geschafft!

Da stand ich nun, bzw. musste mich erst einmal setzen. Vor Ort konnte ich es noch gar nicht richtig fassen. Die Fernsicht war einfach atemberaubend – kein Hindernis und nur durch die Erdkrümmung begrenzt. Das kann man nicht in Bildern oder in Worte festhalten – einfach nicht möglich. Auf dem höchsten Berg Nordtirols und dem zweithöchsten Österreichs zu stehen – traumhaft!

Nach einer gefühlten Ewigkeit ging es wieder nach unten. Dieser führte uns über den Nordgipfel (etwas niedriger) und weiter über den Jubiläumsgrat hinunter zum Rofenkarferner. Auch hier ging ich wieder an meine Grenzen – Firn und Grat gepaart mit ein paar Spalten war doch (etwas) herausfordernd. Aber auch das wurde gemeistert und als wir die Steigeisen und den Gurt wieder ablegten, kam das Gefühl „jetzt nur noch zur Hütte“ hervor. Geschlaucht von der Tour ging es über Blockwerk und schlussendlich über einen normalen Wanderweg zur Breslauer Hütte. Ich musste mich erst etwas sammeln und wir (Michael, Selina und ich) tranken noch etwas und sprachen über die Tour. Irgendwann ging es dann zur Mittelstation, um zurück ins Tal zu fahren.

Hier der Komoot-Link zur Tour

An diesem Tag fiel ich nach dem Abendessen einfach nur müde, erschöpft und glücklich ins Bett. Am nächsten Tag ging es dann nach Hause und der Kopf begann schon während der Fahrt das Erlebte zu verarbeiten.

Ein lang ersehnter Traum ging in Erfüllung, der unterbewusst in mir geschlummert hatte. DER Berg in meiner zweiten Heimat und ich war (endlich) oben. Aber nicht nur der reine Gipfel ist es, sondern die insgesamt erbrachte Leistung, die mich schon ein wenig stolz macht. Teilweise kam ich an meine Grenzen bzw. musste diese überschreiten. Was mir aber im Nachhinein guttut. Unvergessen bleiben die schönen Eindrücke, Gespräche und Stimmungen. Vielen Dank an Selina, an Michael und an alle, die dazu beigetragen haben. Danke!

Update:

Es kamen Fragen nach den Kosten auf. Wie ihr sehen könnt, war ich insgesamt fünf Tage im Ötztal, bzw. hatte ich fünf Übernachtungen gebucht. Drei davon im Tal und zwei auf den Hütten. Für die Übernachtungen im Tal (direkt in Vent) habe ich inkl. Halbpension (und Getränken) 328,66 € gezahlt. Auf den zwei Hütten waren es insgesamt 209,20 €. Auch mit Halbpension (und Getränken). Die Bergbahnen (einmal Bergfahrt für die Akklimatisierungstour und einmal die Talfahrt nach der Wildspitze) kamen insgesamt 30,00 € hinzu. Der Bergführer lag für die Tour bei 645,00 € (von der Hochjoch Hospiz ab bis zur Breslauer Hütte). Ausleihen der Steigeisen und Gurt lag insgesamt bei 40,00 €. Somit kommen wir auf eine Gesamtsumme von 1.232,86 €. Ob es nun viel, wenig oder gerechtfertigt ist, könnt ihr jetzt für euch selbst entscheiden. Für mich persönlich war es jeden Cent wert – mindestens.

@olschok

Ein paar Impressionen von meiner 3-tägigen Hochtour im Ötztal. Start war Vent (1900m), dann auf das Brandenburger Haus (3277m) mit der Dahmannspitze (3387m). Über den Fluchtkogel (3500m), der Kesselwandspitze (3414m) zur Vernagthütte (2755m) und als Abschluss auf die Wildspitze (3768m). #mountains #ötztal #Wildspitze #hochtour #mountain #hiking

♬ The Mountain – FASSounds

Touren im Ötztal – Der Mann aus dem Eis wird 30!

19. September 2021 | Keine Kommentare | Schlagwörter: , , , , ,

Genau 30 Jahre ist es her, dass der Mann aus dem Eis, besser bekannt als „Ötzi“, gefunden wurde. Am 19. September 1991 machte das Ehepaar Simon (die übrigens auch aus Franken kamen) beim Wandern am Niederjochferner diesen historischen Fund. Als Kind war ich bereits einmal vor Ort, allerdings kann ich mich selbst kaum noch daran erinnern. Und so war es jetzt einmal an der Zeit bei einem Besuch im wunderschönen Ötztal, die Fundstelle bzw. den markierenden Obelisken auf dem 3210m hohen Tisenjoch zu besichtigen.

Fast jeder wird mit dem Namen „Ötzi“ etwas anfangen können und mittlerweile haben zahlreiche Forscher ziemlich viel über die Mumie aus dem Eis herausgefunden. Wie mittlerweile festgestellt wurde, starb er vor über 5000 Jahren und dank der tiefen Temperaturen des Gletschers wurde er mumifiziert. Er gehört zu den ältesten und am besten konservierten Mumien der Welt. Ötzi starb am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen. Dass es sich bei dem Fund um eine Besonderheit handelte, war zuerst gar nicht unbedingt absehbar. Man dachte zunächst, dass es sich um eine „neuere“ Gletscherleiche handelte, jemand, der in den vergangenen Jahrzehnten in den Bergen umkam und erst jetzt gefunden wurde. Was durchaus passierte, dass eine vermisste Person erst ein paar Tage/Wochen/Monate später gefunden wurde.
Das Ehepaar Simon war auf dem Rückweg von der Fineilspitze (3516m) zur Similaunhütte (3016m) und entdeckte in einer Mulde einen Oberkörper. Daraufhin gingen sie zur Hütte und meldeten den Fund. Der Hüttenwirt Markus Pirpamer stieg zur Stelle auf (die ca. 200hm oberhalb der Hütte liegt) und verständigte im Anschluss die Polizei. Übrigens ist Markus noch immer der Betreiber der Similaunhütte und könnte sicherlich so einiges dazu erzählen.

Am Folgetag erschien die Polizei, um den Fund zu dokumentieren, konnte aber aufgrund der Höhe nicht sofort die Bergung einleiten. Zwei Tage nach dem eigentlichen Fund kamen auch Reinhold Messner und Hans Kammerlander mehr oder weniger zufällig an der Fundstelle vorbei. Begleitet wurden sie von Hans Haid, einem Dichter/Schriftsteller aus dem Ötztal, der später in mehreren Büchern der Gletscherleiche eigene Kapitel widmete. Auch sie diskutierten den Fund, gingen zunächst aber von einer seit einigen Jahrhunderten verstorbenen Person aus. Die Bergung erfolgte nicht extrem vorsichtig und so wurde erst einige Zeit später, als die Mumie von Experten untersucht wurde, die eigentliche Sensation erkannt.

Der Name „Ötzi“ war auf Grund seines Fundortes in den Ötztaler Alpen schnell geboren. Gut, wenn man es ganz genau nimmt, ist er ein Südtiroler. Unter anderem ist er auch noch unter dem Namen „Mann vom Hauslabjoch“ bekannt, wobei das Hauslabjoch ca. 80m entfernt liegt. Gestorben ist er vermutlich durch einen Pfeil (die Spitze wurde im Körper gefunden). Allerdings könnte auch ein Schädel-Hirn-Trauma zu seinem Tod geführt haben – zahlreiche Experten rätselten viele Jahre über die Todesursache. Vielleicht war er auf der Flucht, und aus heutiger Sicht muss man sagen, dass er glücklicherweise auf über 3000m unterwegs gewesen ist, denn sonst wäre Ötzi nicht in so einem gut erhaltenen Zustand aufgefunden worden. Nach langem Hin- und Her ist die Gletscherleiche heute im Archäologiemuseum in Bozen zu finden und wird dort weiterhin untersucht. Man findet dort aber auch Rekonstruktionen des Steinzeitmanns.
Wer mit der Familie im Ötztal unterwegs ist, dem lege ich das Ötzi-Dorf in Umhausen ans Herz. Hier können sich die Besucher auf Ötzis Spuren begeben und u.a. erleben, wie Steinzeitmenschen lebten. Und wer selbst wandern gehen möchte, der sollte sich den „Ötzi-Trek“ anschauen, der auch zur Fundstelle führt.

In der vergangenen Woche ging es für mich hinauf zur Fundstelle. Meine Begleitung war die Wanderführerin Barbara Haid, die gleichzeitig auch die Tochter von Hans Haid ist. Das passte natürlich super zu unserer Tour zur Ötzi-Fundstelle! Von dem schönen Bergsteigerdorf Vent führte unsere Route zunächst zur Martin-Busch Hütte auf 2501m. Dort kamen wir ins Gespräch mit Elmar, seines Zeichens DER Schafshirte für den Schaftrieb über den Ötztaler Alpenhauptkamm. Die Schafe werden aus dem ganzen Tal zusammengetrieben, an der Martin-Busch Hütte „gesammelt“ und anschließend über das Niederjoch nach Südtirol getrieben. Diese grenzüberschreitende „Transhumanz“ oder Wanderweidewirtschaft wurde 2011 in Österreich als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt. Es ist einer der ältesten und spektakulärsten Schafübertriebe im ganzen Alpenraum. Elmar ist ein super Typ und gerne würde ich einmal eine Saison helfen und mitwandern. Für Barbara und mich ging es allerdings weiter zur Similaunhütte. Dies sollte mein Schlafplatz für die Nacht sein. Auf 3019m gelegen und quasi auf der Grenze zwischen Österreich und Italien (ja, ganz genau liegt die Hütte bereits in Südtirol). Wie es so üblich ist, Bergschuhe ausziehen, sich anmelden, Schlafplatz einrichten und anschließend gesellig zusammensitzen, das Abendessen genießen und sich anschließend in seine Koje verziehen. Immer wieder schön, so ein Hüttenabend!

Am nächsten Tag (ich hatte dank Ohrstöpsel sehr gut geschlafen), ging es frühstücken. Ich liebe den Morgen auf einer Berghütte. Für mich hat es etwas ganz Besonderes: Die Berge sind klar (natürlich nicht immer), die Luft dünn, frisch und ebenfalls klar. Dazu das morgendliche Gewusel/Gebrummel der Bergsteiger, die zwar noch nicht richtig wach sind, sich aber trotzdem schon auf ihre Tour freuen. Im Vorraum, beim Anziehen der Bergschuhe wird sich verabschiedet „Kommt gut wieder runter“ und jeder geht in seine Richtung. Barbara und ich machten uns auf den Weg zur Fundstelle. Diese war mit 1 Stunde und 15 Minuten von der Hütte aus angeschrieben. Nach ein paar kleinen ausgesetzten Stellen erreichten wir diese in der angegebenen Zeit und standen nun auf 3210m beim besagten Obelisken.

Nach einer kurzen Pause ging es wieder an den Abstieg. Dieser führte uns nicht wieder zurück zur Similaunhütte, sondern direkten Weges zur Martin-Busch Hütte. Nach einer kurzen Rast mit leckerem Kaiserschmarrn ging es von dort zurück nach Vent.

Wichtig: Es handelt sich dabei um eine Wanderung im Hochgebirge, also an die entsprechende Ausrüstung denken – aber das sollte sich eh von selbst verstehen. Auf der Hütte ist aktuell eine Anmeldung Pflicht, wie auch das Mitbringen eines Schlafsacks (kein Hüttenschlafsack). Insgesamt ist es eine sehr schöne und lohnenswerte Tour, inkl. Hüttenübernachtung auf über 3000m und es ist auf jeden Fall etwas Besonderes dort oben an der Ötzi-Fundstelle zu stehen!

Ein Dankeschön geht auch an das ganze Team vom Ötztal Tourismus, die dieses Erlebnis überhaupt erst ermöglicht haben.

Mein persönliches Highlight 2019 – der Fluchtkogel

23. Dezember 2019 | Ein Kommentar | Schlagwörter: , , ,

Mein Faible für die Berge und das Ötztal sind Euch ja mittlerweile bekannt. Von klein auf war ich sowohl im Winter als auch im Sommer für ein paar Wochen dort. Damals war Sölden noch kein Hot Spot und von James Bond noch keine Rede.

Für mich strahlen die Berge einfach schon immer eine Faszination aus. Den eigenen Schweinehund überwinden. Und wenn man denkt, dass es nicht mehr weiter geht, findet sich immer wieder ein neuer Weg. Gleichzeitig aber auch den Umgang mit Rückschlägen lernen. In jungen Jahren war mir das noch nicht so bewusst, doch mit dem Alter werden diese Punkte deutlicher. Auch der Umgang mit der Natur spielt eine große Rolle. Den Respekt muss man ebenfalls erst einmal lernen. Doch der Körper teilt diese Faszination nicht immer. Wie ich letztes Jahr beim Versuch auf die Verpeilspitze schmerzlich feststellen musste. Somit blieb die Kreuzspitze mit ihren 3455m bisher mein höchster Gipfel. Diesen hatte ich in jungen Jahren mit meinem Vater bestiegen. Je öfter man in den Bergen unterwegs ist, desto „normaler“ ist es. Nun mit etwas Abstand wurde mir die Leistung erst richtig bewusst.

Die Planung:

Schon länger schwebte mir vor, einmal den Similaun mit seinen 3606m zu besteigen. Warum es genau der Similaun sein muss, kann ich Euch gar nicht erklären. Wobei mit dem dort zunehmenden Bergtourismus die Begeisterung für genau diesen Berg schon wieder etwas zurückgeht. Aber es sollte etwas Besonderes sein, deshalb war der Plan geboren, bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Similauns zu stehen. Von der Idee konnte ich meinen Cousin und die kleine „Schwester“ überzeugen und wir fanden einen Zeitraum, an dem alle Zeit hatten. Notwendig war die Übernachtung auf einer Berghütte,  wobei sich die Similaunhütte am besten dafür eignet. Nach einigen Telefonaten war dieser Plan allerdings schnell wieder Geschichte. Denn weder auf der Similaunhütte, noch auf der weiter unten gelegenen, alternativen Martin-Busch Hütte waren Anfang September Schlafplätze verfügbar. Ohne Übernachtung, kein Gipfel – leider.

Bei der Besteigung des Similauns handelt es sich um eine Hochtour mit Gletscherüberquerung, daher war für uns ein Bergführer Pflicht. Denn die Gefahren von einem Gletscher sind nicht zu unterschätzen. Uns fehlt dafür die nötige Erfahrung bzw. Ausbildung. Daher standen wir in Kontakt mit der Bergführerstelle Vent, Kilian (Chef der Bergführerstelle) und seinen Jungs. Ein Bergführer für Anfang September war bereits gebucht, aber Plan B musste nun her. Nach kurzer Recherche wurden Plätze auf der Vernagthütte reserviert. Nicht ganz zum Wunschtermin. Was sich später allerdings als Glücksfall herausstellen sollte. Nun hatten wir zwar einen Schlafplatz, allerdings noch keinen Gipfel ausgewählt. Gipfel ohne Schlafplatz ist doof, aber genauso auch ein Schlafplatz ohne Gipfel. Von Kilian kam der Vorschlag „Wie wäre es mit einem Sonnenaufgang auf dem Fluchtkogel?“ Also ich kenne ja einige Gipfel in der Umgebung, aber der Fluchtkogel sagte mir nicht viel. Kurz nachgeschaut und: Ja, das ist unsere Tour! Der Fluchtkogel ist 3500m hoch, der Hüttenplatz war save, es ging ebenfalls über einen Gletscher und die Besteigung zu Sonnenaufgang sollte auch möglich sein. Die Planung stand!

Die Vorbereitung:

In diesem Jahr waren wir häufiger wandern, auch in den Alpen. Mein Tipp: Wanderungen zwischendurch mit vollem Gepäck, auch wenn es nur Tagesausflüge sind. Außerdem habe ich endlich wieder angefangen zu joggen. Nicht nur, aber auch für solche Touren. Ohne Kondition geht es nicht. Und das hatte ich etwas vernachlässigt.
Kurz vorher war ich auf dem Grenzgänger unterwegs, von daher wusste ich, dass mein Körper bereits etwas an höhere Regionen gewöhnt war.  Natürlich kann man nie zu 100% sicher sein. Trotzdem sollte es nicht einfach von 230hm auf über 3000 Höhenmeter gehen ohne weitere Vorbereitungen, wie bei der Verpeilspitze. Ein, zwei leichtere Bergtouren vorher waren angedacht. Sinn und Zweck ist es, den Körper an die Höhe zu gewöhnen, gleichzeitig aber wenig Kraft zu verbrauchen. Und nicht zu vergessen: Spaß zu haben und die Landschaft zu genießen.

Auch die passende Ausrüstung ist bei einer Bergtour wichtig. Mir fehlten noch Kleinigkeiten, wie z. B. eine zweite Jacke und ein Helm. Wobei dieser für unsere Tour nicht nötig war. Steigeisen und Gurt bekamen wir leihweise vom Bergführer vor Ort. Das kostet nicht viel und man weiß, dass man gutes Material bekommt.
Weit im Vorfeld verfolgte ich die Wettervorhersage, was allerdings meistens nicht nötig ist, denn das Wetter ist vor Ort immer etwas anders und langfristig eh nicht vorhersehbar.

Ihr merkt schon, dass so eine Bergtour zwar leicht aussieht, es aber doch eine gewisse Vorbereitung benötigt. Irgendwann stelle ich mal ein Blogpost zur Ausrüstung zusammen. Aber zurück zu unserer Tour. Am ersten Tag war das Wetter einfach nur schlecht. Wir überlegten sogar, erst einen Tag später anzureisen. Da Huben allerdings schon auf knapp 1200m liegt, entschieden wir uns, doch schon zu fahren und ein bisschen zu akklimatisieren. Den ersten Urlaubstag verbrachten wir mit weiterer Planung, gutem Essen und einem Besuch im Aqua Dome in Längenfeld. Entspannung und Kräfte sammeln, was ja auch wichtig ist. Am nächsten Tag sollte das Wetter wieder besser sein und somit ging es auf den Berg. Wir entschieden uns als Einstiegstour für das „Wilde Mannle“ über die Südseite. Aus Erfahrung war mir bekannt, dass das erste Stück Richtung Bergstation Stablein nicht so spannend ist und somit ging es mit der Seilbahn bis zur Zwischenstation, von da an ging es dann zu Fuß weiter. Für uns war vor allem die Höhe entscheidend und die 650 hm von Stablein zum Gipfel (3023m) waren relativ easy.

Da war er also, der erste 3000er nach langer Zeit. Endlich! Ein leichter Berg, ohne viel drumherum. Natürlich sollte man Trittsicherheit mitbringen. Dies sollte man aber sowieso, wenn man in den Alpen unterwegs ist. Die Wolken vom Vortag hatten sich verabschiedet und es war angenehm warm. Auf dem Gipfel entschieden wir uns dann spontan über den Grat weiter nach Norden zu gehen, um über den Rofenkarsteig zur Breslauer Hütte abzubiegen. An der Hütte gab es erst einmal eine kleine Stärkung und wir genossen die Aussicht.

Als wir auf der Terrasse saßen, die Aussicht genossen und uns umschauten, sahen wir einen Wegweiser. Darauf zu sehen: „Urkundkolm 3134m“ mit einer Gehzeit von einer Stunde. Unsere Blicke trafen sich wieder und jeder dachte das gleiche. „Nochmals 100m höher und nur 1 Stunde zu gehen“. Mein Cousin sagte: „Auf, den machen wir jetzt auch noch!“ Wir hatten ca. 14:30 Uhr und als noch jemand von dort kam und sagte „Ach, das schafft ihr locker“ machten wir uns auf den Weg. Exakt 40 Minuten später standen wir auf dem Gipfel. Spontane Ideen sind manchmal doch die besten und wir sind ja auch ein bisschen verrückt. Da war er also, der nächste 3000er. Und keine Spur von Höhenkrankheit o.ä.
Der Abstieg verlief ohne Probleme und nachdem quasi mein Cousin seinen Willen (der zweite Gipfel) durchgesetzt hatte, meinte ich nun „Wir fahren doch nicht runter – wir laufen!“. Gesagt, getan. Unten angekommen wurden wir sehr lecker bekocht (ich sag nur: bester Kaiserschmarrn!) und ließen den Tag gemütlich ausklingen. Für die Statistiker unter Euch:

Der Weg zur Zwischenstation:

Am folgenden Tag konnten wir ausschlafen. Geplant war der Aufstieg zur Vernagthütte, unserer Übernachtungsstation vor dem Fluchtkogel. Ausgangspunkt war wieder das schöne Bergsteigerdörfchen Vent. Der Rucksack war gepackt und wurde nur noch um Gurt und Steigeisen ergänzt. So ging es dann gegen 12 Uhr Richtung Vernagthütte. Die Sonne brannte und es war richtig heiß. Nach 40 Minuten ging es über die Hängebrücke bei Rofen, vorbei an störrischen Haflingern bis zu einem Abzweig. Wir verließen den breiten Weg, um rechts Richtung Hütte weiter zu laufen. Es war unglaublich warm! Nach 3 Stunden und 15 Minuten (angeschrieben waren 3h) kamen wir erschöpft an der Hütte an. Gefühlt waren wir an dem Tag mehr als 5 Stunden unterwegs. Auf der Terrasse trafen wir unseren Bergführer Michael. Er wird sich auch gedacht haben „Mit welchen Typen soll ich da morgen auf den Fluchtkogel?!“ – wir waren fertig, hatten Durst und waren nicht sehr redselig.
Ursprünglich standen uns „nur“ Schlafplätze im Matratzenlager zur Verfügung. Vor Ort wurde uns dann ein Zimmerlager zur Verfügung gestellt. Wie wir erfuhren, hatten viele Personen auf Grund der schlechteren Wettervorhersage abgesagt. Deren Pech = unser Glück! Zum einen hatten wir unsere Ruhe und zum anderen ging am nächsten Tag sehr früh aus den Federn. Den Abend ließen wir mit einem sehr leckeren und kohlenhydratreichen Essen ausklingen. Natürlich durfte der obligatorische Zirbenschnaps nicht fehlen. Auch hier wird sich Michael seinen Teil gedacht haben. „Erst kommen sie erschöpft hier oben an und dann fangen sie auch noch an zu schnapseln!“ ;)

Wir schauten ein letztes Mal nach dem Wetterbericht. Am nächsten Tag sollte es erst am Nachmittag zu regnen beginnen. Kein Problem, da wollten wir eh schon wieder im Tal sein. Somit wurde der Start auf 4 Uhr terminiert. Der Sonnenaufgang war für 6:40 Uhr hervorgesagt worden und die kalkulierte Aufstiegszeit von 2,5 Stunden sollten somit passen.

Der große Tag:

Auf diesen Tag hatten wir hingefiebert und jetzt war es soweit. Wird alles klappen? Wird das Wetter halten? Wird die Höhenkrankheit wieder zuschlagen? Diese und noch viel mehr Gedanken schwirrten mir im Kopf herum. Pünktlich um 3 Uhr klingelte der Wecker bei jedem von uns dreien. Das Licht ging an und nach kurzem Gemurmel ging jeder seiner Morgenroutine nach. Am Vorabend wurde das Frühstück bereits soweit vorbereitet, dass wir versorgt waren. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Familie Scheiber! Kurz vor 4 Uhr trafen wir uns alle im Eingangsbereich der Hütte. Die am Gipfel unnötigen Dinge wie Hüttenschlafsack usw. ließen wir da, wir wollten später sowieso wieder an der Hütte vorbeikommen. Letzter Check der Stirnlampen und los ging es – raus in die Dunkelheit.

Gleich hinter der Hütte ging es auf eine Seitenmoräne, deren zugehörige Gletscher leider erst weiter oben anfing bzw. zu überqueren ist. Wir gewannen schnell an Höhe und stiefelten durch die Dunkelheit. Nur der Lichtkegel der Stirnlampe bot etwas Helligkeit. Die umliegenden Gipfel waren nicht zu sehen. Nach einer gewissen Zeit (keine Ahnung wie lange wir unterwegs waren), kamen wir zum Gletscher. Ab diesem Zeitpunkt wurden wir von Michael an die Leine genommen. Was bedeutete: Gurt und Steigeisen anlegen und anseilen! Schlagartig sank auch die Temperatur, vergleichbar mit dem Öffnen einer Gefriertruhe. Michael führte unseren Trupp an, so ging es weiter durch die Dunkelheit.
Auf dem Gletscher gewannen wir schnell an Höhe, bis wir an ein steileres Stück kurz unterhalb vom Oberen Guslarjoch kamen. Dort ging es steil nach oben und einige Spalten waren zu erkennen. Michael führte uns durch diese bizarre Welt. Auf einmal knackte es laut unter mir, dass ich in Schockstarre fiel. Weitergehen und fallen? Aber Stehenbleiben ergab auch keinen Sinn. Was tun? Das Herz hing mittlerweile irgendwo in der Hose und der Gedanke „gleich liegst du unten“ setzte sich im Kopf fest. Also langsam einen Schritt vor den anderen machen und weiter gehen. Geschafft! Es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Weder mein Cousin noch meine Schwester sagten einen Ton. Jeder hatte an dieser Stelle ein ungutes Gefühl. „Du weißt schon, dass es mir gerade etwas anders wurde?“ sagte ich zu Michael. O-Ton: „Ja, dachte ich mir schon“ und lachte nur. Bergführer sind schon ein Völkchen für sich – natürlich positiv gemeint, sie haben einfach einen besonderen Humor.
Am oberen Guslarjoch auf ca. 3300m angekommen kam die Morgendämmerung so langsam hervor. Die umliegenden Gipfel waren schemenhaft zu erkennen.

Ab hier waren es noch 200 Höhenmeter und wir lagen super in der Zeit. Laut Michael wurde es jetzt noch steiler. Kam uns gar nicht so vor und so erreichten wir um 6:30 Uhr den Gipfel! Sonnenaufgang auf über 3500m in meiner zweiten Heimat – ein Traum wurde wahr!

Die Sonne kam langsam hervor und wanderte ins Tal. Trotz der Kälte genossen wir diese unvergesslichen Momente als erste an diesem Tag oben am Gipfel. Das Wetter war fantastisch und dementsprechend war die Fernsicht auch grandios. Michael meinte, dass diese zwischen 150 und 200km liegen müsste. Somit konnten wir die 4000er in der Schweiz, aber auch die Dolomiten erblicken. Darauf einen Gipfelschnaps!
Jeder schöne Moment geht einmal zu Ende und nach ca. 30 Minuten auf dem Gipfel machten wir uns wieder auf den Rückweg. Wie Bergsteiger Hans Kammerlander schon sagte „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm.“ Zurück ging es nicht auf demselben Weg, sondern über den Grat auf der gegenüberliegenden Seite. Auch hier verwirrte uns Michael mit seinem trockenen Humor. Wir erkannten einfach keinen anderen Weg! Michael deutete dann in die entgegengesetzte Richtung und meinte „Na da geht’s lang“. Weit und breit kein Weg, einfach nichts zu erkennen – also für uns. Aber gut, wenn Michael das sagt, dann wird es schon stimmen. Und wir kletterten über den Grat wieder Richtung Gletscher. Links ging es nach unten…so ca. 200m und auf der rechten Seite sah es auch nicht besser aus. Aber wir kamen nach einigen Kletterpassagen wieder am Gletscher an. Gefühlt ging es anschließend querfeldein über den Gletscher.
Weiter unten, als der Adrenalinpegel sich etwas senkte, bekamen wir noch etwas Gletscherkunde von Michael. Was im Nachhinein gesehen auch wieder lustig war.

„Worin besteht der Unterschied zwischen den hellen Flächen und denen daneben?“
„Das weiße ist Altschnee und darunter ist eine Gletscherspalte. Quasi wie in Trichter aufgebaut. Man weiß aber nie, wie dick diese Schneefläche ist.“
„Ah! Und warum stehe ich gerade auf so einer Fläche?“
„Keine Angst, wenn sie nicht halten würde, hättest du es schon gemerkt.“

Und so ging es weiter über den Gletscher. Der flache Gletscher ist übrigens genauso gefährlich, wie ein steiler Abschnitt. Es ist sehr trügerisch anzunehmen, dass es dort sicherer sei. Wer ohne Seilschaft auf dem Gletscher unterwegs ist und ihm passiert etwas, kann sich nicht sicher sein, wieder lebend ins Tal zurückzukommen. Ich kann es nur wiederholen: Safety first!
Gegen 9 Uhr morgens kamen wir wieder am Ausgangsort, der Vernagthütte, an. Manche Besucher waren gerade am Aufbruch, wir hatten unsere Tour schon beendet. Nachdem wir bei einem Kaffee bzw. Cola von unserem Erlebnis berichteten, meinte Hüttenwirtin Angelika, dass wir ziemlich Glück gehabt hatten, denn solche Sonnenaufgänge gäbe es nur ca. 3-5x im Jahr. Selbst Michael, der im Sommer fast jeden Tag auf den Gipfeln unterwegs ist und wahrscheinlich schon alles gesehen hatte, musste diese Gunst nutzen und bei dem Wahnsinns-Licht Bilder machen.

Theoretisch hätten wir von der Vernagthütte den gleichen Weg nach Vent zurücklaufen können, den wir hoch gekommen sind. Praktisch sind wir allerdings einen „kleinen“ Abzweig zur Hütte „Hochjoch-Hospiz“ gegangen. Nachdem mein Cousin und ich die letzten Tage jeder schon mal einen Wunsch durchgesetzt hatten, fehlte noch die dritte im Bunde, meine kleine „Schwester“, die noch etwas Abwechslung wollte. Somit hat jeder von uns dreien seinen Willen erreicht. ;) Vom Hochjoch-Hospiz ging es nach einer weiteren kleinen Stärkung durch das Rofental wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt Vent. Abschließend noch ein paar Bilder von unserem Abstieg. Und selbstverständlich die Statistik:

Der Zufall wollte es, dass wir 150 Jahre nach der Erstbesteigung des Fluchtkogels von Franz Senn, Valentin Kaltdorff und Julius Scholz (mit den Führern Alois Ennemoser und Gabriel Spechtenhauser) auf dem Gipfel standen. Franz Senn war einer der Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins. Welcher 2019 sein 150jähriges Bestehen feierte.
Ja, für mich war es definitiv das (Berg-) Highlight in diesem Jahr. Auf welchen Gipfel es mich in 2020 verschlägt, ist noch nicht beschlossen. Aber irgendeinen werden wir uns schon ausgucken.

Habt Ihr schon mal einen ähnlichen Gipfel bestiegen? Oder Fragen zu solchen Touren? Schreibt gern in den Kommentaren und/oder den bekannten Social Media Kanälen.

Update 12.11.2020 – die Tour(en) sind jetzt auch auf Komoot zu finden:


Vent – Wildes Mannle – Breslauer Hütte – Urkundkolm – Vent
Vent zur Vernagthütte
Sonnenaufgangstour auf den Fluchtkogel

Update 17.10.2023:

Vier Jahre später stand ich wieder auf dem Gipfel – Dieses Mal am Tag. Quasi nur auf Durchreise zur Kesselwandspitze, um am nächsten Tag auf die Wildspitze zu gehen. Der ganzen Artikel „Die Wildspitze – drei Tage, fünf Gipfel“ findet ihr nach dem Klick.

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