Touren im Ötztal – Der Mann aus dem Eis wird 30!
Genau 30 Jahre ist es her, dass der Mann aus dem Eis, besser bekannt als „Ötzi“, gefunden wurde. Am 19. September 1991 machte das Ehepaar Simon (die übrigens auch aus Franken kamen) beim Wandern am Niederjochferner diesen historischen Fund. Als Kind war ich bereits einmal vor Ort, allerdings kann ich mich selbst kaum noch daran erinnern. Und so war es jetzt einmal an der Zeit bei einem Besuch im wunderschönen Ötztal, die Fundstelle bzw. den markierenden Obelisken auf dem 3210m hohen Tisenjoch zu besichtigen.
Fast jeder wird mit dem Namen „Ötzi“ etwas anfangen können und mittlerweile haben zahlreiche Forscher ziemlich viel über die Mumie aus dem Eis herausgefunden. Wie mittlerweile festgestellt wurde, starb er vor über 5000 Jahren und dank der tiefen Temperaturen des Gletschers wurde er mumifiziert. Er gehört zu den ältesten und am besten konservierten Mumien der Welt. Ötzi starb am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen. Dass es sich bei dem Fund um eine Besonderheit handelte, war zuerst gar nicht unbedingt absehbar. Man dachte zunächst, dass es sich um eine „neuere“ Gletscherleiche handelte, jemand, der in den vergangenen Jahrzehnten in den Bergen umkam und erst jetzt gefunden wurde. Was durchaus passierte, dass eine vermisste Person erst ein paar Tage/Wochen/Monate später gefunden wurde.
Das Ehepaar Simon war auf dem Rückweg von der Fineilspitze (3516m) zur Similaunhütte (3016m) und entdeckte in einer Mulde einen Oberkörper. Daraufhin gingen sie zur Hütte und meldeten den Fund. Der Hüttenwirt Markus Pirpamer stieg zur Stelle auf (die ca. 200hm oberhalb der Hütte liegt) und verständigte im Anschluss die Polizei. Übrigens ist Markus noch immer der Betreiber der Similaunhütte und könnte sicherlich so einiges dazu erzählen.
Am Folgetag erschien die Polizei, um den Fund zu dokumentieren, konnte aber aufgrund der Höhe nicht sofort die Bergung einleiten. Zwei Tage nach dem eigentlichen Fund kamen auch Reinhold Messner und Hans Kammerlander mehr oder weniger zufällig an der Fundstelle vorbei. Begleitet wurden sie von Hans Haid, einem Dichter/Schriftsteller aus dem Ötztal, der später in mehreren Büchern der Gletscherleiche eigene Kapitel widmete. Auch sie diskutierten den Fund, gingen zunächst aber von einer seit einigen Jahrhunderten verstorbenen Person aus. Die Bergung erfolgte nicht extrem vorsichtig und so wurde erst einige Zeit später, als die Mumie von Experten untersucht wurde, die eigentliche Sensation erkannt.
Der Name „Ötzi“ war auf Grund seines Fundortes in den Ötztaler Alpen schnell geboren. Gut, wenn man es ganz genau nimmt, ist er ein Südtiroler. Unter anderem ist er auch noch unter dem Namen „Mann vom Hauslabjoch“ bekannt, wobei das Hauslabjoch ca. 80m entfernt liegt. Gestorben ist er vermutlich durch einen Pfeil (die Spitze wurde im Körper gefunden). Allerdings könnte auch ein Schädel-Hirn-Trauma zu seinem Tod geführt haben – zahlreiche Experten rätselten viele Jahre über die Todesursache. Vielleicht war er auf der Flucht, und aus heutiger Sicht muss man sagen, dass er glücklicherweise auf über 3000m unterwegs gewesen ist, denn sonst wäre Ötzi nicht in so einem gut erhaltenen Zustand aufgefunden worden. Nach langem Hin- und Her ist die Gletscherleiche heute im Archäologiemuseum in Bozen zu finden und wird dort weiterhin untersucht. Man findet dort aber auch Rekonstruktionen des Steinzeitmanns.
Wer mit der Familie im Ötztal unterwegs ist, dem lege ich das Ötzi-Dorf in Umhausen ans Herz. Hier können sich die Besucher auf Ötzis Spuren begeben und u.a. erleben, wie Steinzeitmenschen lebten. Und wer selbst wandern gehen möchte, der sollte sich den „Ötzi-Trek“ anschauen, der auch zur Fundstelle führt.
In der vergangenen Woche ging es für mich hinauf zur Fundstelle. Meine Begleitung war die Wanderführerin Barbara Haid, die gleichzeitig auch die Tochter von Hans Haid ist. Das passte natürlich super zu unserer Tour zur Ötzi-Fundstelle! Von dem schönen Bergsteigerdorf Vent führte unsere Route zunächst zur Martin-Busch Hütte auf 2501m. Dort kamen wir ins Gespräch mit Elmar, seines Zeichens DER Schafshirte für den Schaftrieb über den Ötztaler Alpenhauptkamm. Die Schafe werden aus dem ganzen Tal zusammengetrieben, an der Martin-Busch Hütte „gesammelt“ und anschließend über das Niederjoch nach Südtirol getrieben. Diese grenzüberschreitende „Transhumanz“ oder Wanderweidewirtschaft wurde 2011 in Österreich als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt. Es ist einer der ältesten und spektakulärsten Schafübertriebe im ganzen Alpenraum. Elmar ist ein super Typ und gerne würde ich einmal eine Saison helfen und mitwandern. Für Barbara und mich ging es allerdings weiter zur Similaunhütte. Dies sollte mein Schlafplatz für die Nacht sein. Auf 3019m gelegen und quasi auf der Grenze zwischen Österreich und Italien (ja, ganz genau liegt die Hütte bereits in Südtirol). Wie es so üblich ist, Bergschuhe ausziehen, sich anmelden, Schlafplatz einrichten und anschließend gesellig zusammensitzen, das Abendessen genießen und sich anschließend in seine Koje verziehen. Immer wieder schön, so ein Hüttenabend!
Am nächsten Tag (ich hatte dank Ohrstöpsel sehr gut geschlafen), ging es frühstücken. Ich liebe den Morgen auf einer Berghütte. Für mich hat es etwas ganz Besonderes: Die Berge sind klar (natürlich nicht immer), die Luft dünn, frisch und ebenfalls klar. Dazu das morgendliche Gewusel/Gebrummel der Bergsteiger, die zwar noch nicht richtig wach sind, sich aber trotzdem schon auf ihre Tour freuen. Im Vorraum, beim Anziehen der Bergschuhe wird sich verabschiedet „Kommt gut wieder runter“ und jeder geht in seine Richtung. Barbara und ich machten uns auf den Weg zur Fundstelle. Diese war mit 1 Stunde und 15 Minuten von der Hütte aus angeschrieben. Nach ein paar kleinen ausgesetzten Stellen erreichten wir diese in der angegebenen Zeit und standen nun auf 3210m beim besagten Obelisken.
Nach einer kurzen Pause ging es wieder an den Abstieg. Dieser führte uns nicht wieder zurück zur Similaunhütte, sondern direkten Weges zur Martin-Busch Hütte. Nach einer kurzen Rast mit leckerem Kaiserschmarrn ging es von dort zurück nach Vent.
Wichtig: Es handelt sich dabei um eine Wanderung im Hochgebirge, also an die entsprechende Ausrüstung denken – aber das sollte sich eh von selbst verstehen. Auf der Hütte ist aktuell eine Anmeldung Pflicht, wie auch das Mitbringen eines Schlafsacks (kein Hüttenschlafsack). Insgesamt ist es eine sehr schöne und lohnenswerte Tour, inkl. Hüttenübernachtung auf über 3000m und es ist auf jeden Fall etwas Besonderes dort oben an der Ötzi-Fundstelle zu stehen!
Ein Dankeschön geht auch an das ganze Team vom Ötztal Tourismus, die dieses Erlebnis überhaupt erst ermöglicht haben.
Mein persönliches Highlight 2019 – der Fluchtkogel
Mein Faible für die Berge und das Ötztal sind Euch ja mittlerweile bekannt. Von klein auf war ich sowohl im Winter als auch im Sommer für ein paar Wochen dort. Damals war Sölden noch kein Hot Spot und von James Bond noch keine Rede.
Für mich strahlen die Berge einfach schon immer eine Faszination aus. Den eigenen Schweinehund überwinden. Und wenn man denkt, dass es nicht mehr weiter geht, findet sich immer wieder ein neuer Weg. Gleichzeitig aber auch den Umgang mit Rückschlägen lernen. In jungen Jahren war mir das noch nicht so bewusst, doch mit dem Alter werden diese Punkte deutlicher. Auch der Umgang mit der Natur spielt eine große Rolle. Den Respekt muss man ebenfalls erst einmal lernen. Doch der Körper teilt diese Faszination nicht immer. Wie ich letztes Jahr beim Versuch auf die Verpeilspitze schmerzlich feststellen musste. Somit blieb die Kreuzspitze mit ihren 3455m bisher mein höchster Gipfel. Diesen hatte ich in jungen Jahren mit meinem Vater bestiegen. Je öfter man in den Bergen unterwegs ist, desto „normaler“ ist es. Nun mit etwas Abstand wurde mir die Leistung erst richtig bewusst.

Die Planung:
Schon länger schwebte mir vor, einmal den Similaun mit seinen 3606m zu besteigen. Warum es genau der Similaun sein muss, kann ich Euch gar nicht erklären. Wobei mit dem dort zunehmenden Bergtourismus die Begeisterung für genau diesen Berg schon wieder etwas zurückgeht. Aber es sollte etwas Besonderes sein, deshalb war der Plan geboren, bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Similauns zu stehen. Von der Idee konnte ich meinen Cousin und die kleine „Schwester“ überzeugen und wir fanden einen Zeitraum, an dem alle Zeit hatten. Notwendig war die Übernachtung auf einer Berghütte, wobei sich die Similaunhütte am besten dafür eignet. Nach einigen Telefonaten war dieser Plan allerdings schnell wieder Geschichte. Denn weder auf der Similaunhütte, noch auf der weiter unten gelegenen, alternativen Martin-Busch Hütte waren Anfang September Schlafplätze verfügbar. Ohne Übernachtung, kein Gipfel – leider.
Bei der Besteigung des Similauns handelt es sich um eine Hochtour mit Gletscherüberquerung, daher war für uns ein Bergführer Pflicht. Denn die Gefahren von einem Gletscher sind nicht zu unterschätzen. Uns fehlt dafür die nötige Erfahrung bzw. Ausbildung. Daher standen wir in Kontakt mit der Bergführerstelle Vent, Kilian (Chef der Bergführerstelle) und seinen Jungs. Ein Bergführer für Anfang September war bereits gebucht, aber Plan B musste nun her. Nach kurzer Recherche wurden Plätze auf der Vernagthütte reserviert. Nicht ganz zum Wunschtermin. Was sich später allerdings als Glücksfall herausstellen sollte. Nun hatten wir zwar einen Schlafplatz, allerdings noch keinen Gipfel ausgewählt. Gipfel ohne Schlafplatz ist doof, aber genauso auch ein Schlafplatz ohne Gipfel. Von Kilian kam der Vorschlag „Wie wäre es mit einem Sonnenaufgang auf dem Fluchtkogel?“ Also ich kenne ja einige Gipfel in der Umgebung, aber der Fluchtkogel sagte mir nicht viel. Kurz nachgeschaut und: Ja, das ist unsere Tour! Der Fluchtkogel ist 3500m hoch, der Hüttenplatz war save, es ging ebenfalls über einen Gletscher und die Besteigung zu Sonnenaufgang sollte auch möglich sein. Die Planung stand!
Die Vorbereitung:
In diesem Jahr waren wir häufiger wandern, auch in den Alpen. Mein Tipp: Wanderungen zwischendurch mit vollem Gepäck, auch wenn es nur Tagesausflüge sind. Außerdem habe ich endlich wieder angefangen zu joggen. Nicht nur, aber auch für solche Touren. Ohne Kondition geht es nicht. Und das hatte ich etwas vernachlässigt.
Kurz vorher war ich auf dem Grenzgänger unterwegs, von daher wusste ich, dass mein Körper bereits etwas an höhere Regionen gewöhnt war. Natürlich kann man nie zu 100% sicher sein. Trotzdem sollte es nicht einfach von 230hm auf über 3000 Höhenmeter gehen ohne weitere Vorbereitungen, wie bei der Verpeilspitze. Ein, zwei leichtere Bergtouren vorher waren angedacht. Sinn und Zweck ist es, den Körper an die Höhe zu gewöhnen, gleichzeitig aber wenig Kraft zu verbrauchen. Und nicht zu vergessen: Spaß zu haben und die Landschaft zu genießen.
Auch die passende Ausrüstung ist bei einer Bergtour wichtig. Mir fehlten noch Kleinigkeiten, wie z. B. eine zweite Jacke und ein Helm. Wobei dieser für unsere Tour nicht nötig war. Steigeisen und Gurt bekamen wir leihweise vom Bergführer vor Ort. Das kostet nicht viel und man weiß, dass man gutes Material bekommt.
Weit im Vorfeld verfolgte ich die Wettervorhersage, was allerdings meistens nicht nötig ist, denn das Wetter ist vor Ort immer etwas anders und langfristig eh nicht vorhersehbar.


Ihr merkt schon, dass so eine Bergtour zwar leicht aussieht, es aber doch eine gewisse Vorbereitung benötigt. Irgendwann stelle ich mal ein Blogpost zur Ausrüstung zusammen. Aber zurück zu unserer Tour. Am ersten Tag war das Wetter einfach nur schlecht. Wir überlegten sogar, erst einen Tag später anzureisen. Da Huben allerdings schon auf knapp 1200m liegt, entschieden wir uns, doch schon zu fahren und ein bisschen zu akklimatisieren. Den ersten Urlaubstag verbrachten wir mit weiterer Planung, gutem Essen und einem Besuch im Aqua Dome in Längenfeld. Entspannung und Kräfte sammeln, was ja auch wichtig ist. Am nächsten Tag sollte das Wetter wieder besser sein und somit ging es auf den Berg. Wir entschieden uns als Einstiegstour für das „Wilde Mannle“ über die Südseite. Aus Erfahrung war mir bekannt, dass das erste Stück Richtung Bergstation Stablein nicht so spannend ist und somit ging es mit der Seilbahn bis zur Zwischenstation, von da an ging es dann zu Fuß weiter. Für uns war vor allem die Höhe entscheidend und die 650 hm von Stablein zum Gipfel (3023m) waren relativ easy.




Da war er also, der erste 3000er nach langer Zeit. Endlich! Ein leichter Berg, ohne viel drumherum. Natürlich sollte man Trittsicherheit mitbringen. Dies sollte man aber sowieso, wenn man in den Alpen unterwegs ist. Die Wolken vom Vortag hatten sich verabschiedet und es war angenehm warm. Auf dem Gipfel entschieden wir uns dann spontan über den Grat weiter nach Norden zu gehen, um über den Rofenkarsteig zur Breslauer Hütte abzubiegen. An der Hütte gab es erst einmal eine kleine Stärkung und wir genossen die Aussicht.






Als wir auf der Terrasse saßen, die Aussicht genossen und uns umschauten, sahen wir einen Wegweiser. Darauf zu sehen: „Urkundkolm 3134m“ mit einer Gehzeit von einer Stunde. Unsere Blicke trafen sich wieder und jeder dachte das gleiche. „Nochmals 100m höher und nur 1 Stunde zu gehen“. Mein Cousin sagte: „Auf, den machen wir jetzt auch noch!“ Wir hatten ca. 14:30 Uhr und als noch jemand von dort kam und sagte „Ach, das schafft ihr locker“ machten wir uns auf den Weg. Exakt 40 Minuten später standen wir auf dem Gipfel. Spontane Ideen sind manchmal doch die besten und wir sind ja auch ein bisschen verrückt. Da war er also, der nächste 3000er. Und keine Spur von Höhenkrankheit o.ä.
Der Abstieg verlief ohne Probleme und nachdem quasi mein Cousin seinen Willen (der zweite Gipfel) durchgesetzt hatte, meinte ich nun „Wir fahren doch nicht runter – wir laufen!“. Gesagt, getan. Unten angekommen wurden wir sehr lecker bekocht (ich sag nur: bester Kaiserschmarrn!) und ließen den Tag gemütlich ausklingen. Für die Statistiker unter Euch:







Der Weg zur Zwischenstation:
Am folgenden Tag konnten wir ausschlafen. Geplant war der Aufstieg zur Vernagthütte, unserer Übernachtungsstation vor dem Fluchtkogel. Ausgangspunkt war wieder das schöne Bergsteigerdörfchen Vent. Der Rucksack war gepackt und wurde nur noch um Gurt und Steigeisen ergänzt. So ging es dann gegen 12 Uhr Richtung Vernagthütte. Die Sonne brannte und es war richtig heiß. Nach 40 Minuten ging es über die Hängebrücke bei Rofen, vorbei an störrischen Haflingern bis zu einem Abzweig. Wir verließen den breiten Weg, um rechts Richtung Hütte weiter zu laufen. Es war unglaublich warm! Nach 3 Stunden und 15 Minuten (angeschrieben waren 3h) kamen wir erschöpft an der Hütte an. Gefühlt waren wir an dem Tag mehr als 5 Stunden unterwegs. Auf der Terrasse trafen wir unseren Bergführer Michael. Er wird sich auch gedacht haben „Mit welchen Typen soll ich da morgen auf den Fluchtkogel?!“ – wir waren fertig, hatten Durst und waren nicht sehr redselig.
Ursprünglich standen uns „nur“ Schlafplätze im Matratzenlager zur Verfügung. Vor Ort wurde uns dann ein Zimmerlager zur Verfügung gestellt. Wie wir erfuhren, hatten viele Personen auf Grund der schlechteren Wettervorhersage abgesagt. Deren Pech = unser Glück! Zum einen hatten wir unsere Ruhe und zum anderen ging am nächsten Tag sehr früh aus den Federn. Den Abend ließen wir mit einem sehr leckeren und kohlenhydratreichen Essen ausklingen. Natürlich durfte der obligatorische Zirbenschnaps nicht fehlen. Auch hier wird sich Michael seinen Teil gedacht haben. „Erst kommen sie erschöpft hier oben an und dann fangen sie auch noch an zu schnapseln!“ ;)










Wir schauten ein letztes Mal nach dem Wetterbericht. Am nächsten Tag sollte es erst am Nachmittag zu regnen beginnen. Kein Problem, da wollten wir eh schon wieder im Tal sein. Somit wurde der Start auf 4 Uhr terminiert. Der Sonnenaufgang war für 6:40 Uhr hervorgesagt worden und die kalkulierte Aufstiegszeit von 2,5 Stunden sollten somit passen.
Der große Tag:
Auf diesen Tag hatten wir hingefiebert und jetzt war es soweit. Wird alles klappen? Wird das Wetter halten? Wird die Höhenkrankheit wieder zuschlagen? Diese und noch viel mehr Gedanken schwirrten mir im Kopf herum. Pünktlich um 3 Uhr klingelte der Wecker bei jedem von uns dreien. Das Licht ging an und nach kurzem Gemurmel ging jeder seiner Morgenroutine nach. Am Vorabend wurde das Frühstück bereits soweit vorbereitet, dass wir versorgt waren. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Familie Scheiber! Kurz vor 4 Uhr trafen wir uns alle im Eingangsbereich der Hütte. Die am Gipfel unnötigen Dinge wie Hüttenschlafsack usw. ließen wir da, wir wollten später sowieso wieder an der Hütte vorbeikommen. Letzter Check der Stirnlampen und los ging es – raus in die Dunkelheit.
Gleich hinter der Hütte ging es auf eine Seitenmoräne, deren zugehörige Gletscher leider erst weiter oben anfing bzw. zu überqueren ist. Wir gewannen schnell an Höhe und stiefelten durch die Dunkelheit. Nur der Lichtkegel der Stirnlampe bot etwas Helligkeit. Die umliegenden Gipfel waren nicht zu sehen. Nach einer gewissen Zeit (keine Ahnung wie lange wir unterwegs waren), kamen wir zum Gletscher. Ab diesem Zeitpunkt wurden wir von Michael an die Leine genommen. Was bedeutete: Gurt und Steigeisen anlegen und anseilen! Schlagartig sank auch die Temperatur, vergleichbar mit dem Öffnen einer Gefriertruhe. Michael führte unseren Trupp an, so ging es weiter durch die Dunkelheit.
Auf dem Gletscher gewannen wir schnell an Höhe, bis wir an ein steileres Stück kurz unterhalb vom Oberen Guslarjoch kamen. Dort ging es steil nach oben und einige Spalten waren zu erkennen. Michael führte uns durch diese bizarre Welt. Auf einmal knackte es laut unter mir, dass ich in Schockstarre fiel. Weitergehen und fallen? Aber Stehenbleiben ergab auch keinen Sinn. Was tun? Das Herz hing mittlerweile irgendwo in der Hose und der Gedanke „gleich liegst du unten“ setzte sich im Kopf fest. Also langsam einen Schritt vor den anderen machen und weiter gehen. Geschafft! Es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Weder mein Cousin noch meine Schwester sagten einen Ton. Jeder hatte an dieser Stelle ein ungutes Gefühl. „Du weißt schon, dass es mir gerade etwas anders wurde?“ sagte ich zu Michael. O-Ton: „Ja, dachte ich mir schon“ und lachte nur. Bergführer sind schon ein Völkchen für sich – natürlich positiv gemeint, sie haben einfach einen besonderen Humor.
Am oberen Guslarjoch auf ca. 3300m angekommen kam die Morgendämmerung so langsam hervor. Die umliegenden Gipfel waren schemenhaft zu erkennen.


Ab hier waren es noch 200 Höhenmeter und wir lagen super in der Zeit. Laut Michael wurde es jetzt noch steiler. Kam uns gar nicht so vor und so erreichten wir um 6:30 Uhr den Gipfel! Sonnenaufgang auf über 3500m in meiner zweiten Heimat – ein Traum wurde wahr!







Die Sonne kam langsam hervor und wanderte ins Tal. Trotz der Kälte genossen wir diese unvergesslichen Momente als erste an diesem Tag oben am Gipfel. Das Wetter war fantastisch und dementsprechend war die Fernsicht auch grandios. Michael meinte, dass diese zwischen 150 und 200km liegen müsste. Somit konnten wir die 4000er in der Schweiz, aber auch die Dolomiten erblicken. Darauf einen Gipfelschnaps!
Jeder schöne Moment geht einmal zu Ende und nach ca. 30 Minuten auf dem Gipfel machten wir uns wieder auf den Rückweg. Wie Bergsteiger Hans Kammerlander schon sagte „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm.“ Zurück ging es nicht auf demselben Weg, sondern über den Grat auf der gegenüberliegenden Seite. Auch hier verwirrte uns Michael mit seinem trockenen Humor. Wir erkannten einfach keinen anderen Weg! Michael deutete dann in die entgegengesetzte Richtung und meinte „Na da geht’s lang“. Weit und breit kein Weg, einfach nichts zu erkennen – also für uns. Aber gut, wenn Michael das sagt, dann wird es schon stimmen. Und wir kletterten über den Grat wieder Richtung Gletscher. Links ging es nach unten…so ca. 200m und auf der rechten Seite sah es auch nicht besser aus. Aber wir kamen nach einigen Kletterpassagen wieder am Gletscher an. Gefühlt ging es anschließend querfeldein über den Gletscher.
Weiter unten, als der Adrenalinpegel sich etwas senkte, bekamen wir noch etwas Gletscherkunde von Michael. Was im Nachhinein gesehen auch wieder lustig war.
„Worin besteht der Unterschied zwischen den hellen Flächen und denen daneben?“
„Das weiße ist Altschnee und darunter ist eine Gletscherspalte. Quasi wie in Trichter aufgebaut. Man weiß aber nie, wie dick diese Schneefläche ist.“
„Ah! Und warum stehe ich gerade auf so einer Fläche?“
„Keine Angst, wenn sie nicht halten würde, hättest du es schon gemerkt.“
Und so ging es weiter über den Gletscher. Der flache Gletscher ist übrigens genauso gefährlich, wie ein steiler Abschnitt. Es ist sehr trügerisch anzunehmen, dass es dort sicherer sei. Wer ohne Seilschaft auf dem Gletscher unterwegs ist und ihm passiert etwas, kann sich nicht sicher sein, wieder lebend ins Tal zurückzukommen. Ich kann es nur wiederholen: Safety first!
Gegen 9 Uhr morgens kamen wir wieder am Ausgangsort, der Vernagthütte, an. Manche Besucher waren gerade am Aufbruch, wir hatten unsere Tour schon beendet. Nachdem wir bei einem Kaffee bzw. Cola von unserem Erlebnis berichteten, meinte Hüttenwirtin Angelika, dass wir ziemlich Glück gehabt hatten, denn solche Sonnenaufgänge gäbe es nur ca. 3-5x im Jahr. Selbst Michael, der im Sommer fast jeden Tag auf den Gipfeln unterwegs ist und wahrscheinlich schon alles gesehen hatte, musste diese Gunst nutzen und bei dem Wahnsinns-Licht Bilder machen.
Theoretisch hätten wir von der Vernagthütte den gleichen Weg nach Vent zurücklaufen können, den wir hoch gekommen sind. Praktisch sind wir allerdings einen „kleinen“ Abzweig zur Hütte „Hochjoch-Hospiz“ gegangen. Nachdem mein Cousin und ich die letzten Tage jeder schon mal einen Wunsch durchgesetzt hatten, fehlte noch die dritte im Bunde, meine kleine „Schwester“, die noch etwas Abwechslung wollte. Somit hat jeder von uns dreien seinen Willen erreicht. ;) Vom Hochjoch-Hospiz ging es nach einer weiteren kleinen Stärkung durch das Rofental wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt Vent. Abschließend noch ein paar Bilder von unserem Abstieg. Und selbstverständlich die Statistik:










Der Zufall wollte es, dass wir 150 Jahre nach der Erstbesteigung des Fluchtkogels von Franz Senn, Valentin Kaltdorff und Julius Scholz (mit den Führern Alois Ennemoser und Gabriel Spechtenhauser) auf dem Gipfel standen. Franz Senn war einer der Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins. Welcher 2019 sein 150jähriges Bestehen feierte.
Ja, für mich war es definitiv das (Berg-) Highlight in diesem Jahr. Auf welchen Gipfel es mich in 2020 verschlägt, ist noch nicht beschlossen. Aber irgendeinen werden wir uns schon ausgucken.
Habt Ihr schon mal einen ähnlichen Gipfel bestiegen? Oder Fragen zu solchen Touren? Schreibt gern in den Kommentaren und/oder den bekannten Social Media Kanälen.
Update 12.11.2020 – die Tour(en) sind jetzt auch auf Komoot zu finden:
Vent – Wildes Mannle – Breslauer Hütte – Urkundkolm – Vent
Vent zur Vernagthütte
Sonnenaufgangstour auf den Fluchtkogel