Der People Mover (Group Rapid Transport) von ZF Friedrichshafen
Wenn man in Schweinfurt zu Hause ist, kommt man an den Industriebauten einiger Weltkonzerne nicht vorbei. Die Stadt selbst gilt als wichtigste Industriestadt Nordbayerns. Und wer Schweinfurt hört, denkt zunächst an Großunternehmen im Bereich Automobilzulieferung. Selbstverständlich macht die Zukunft um Schweinfurt keinen Bogen und die Industrie spürt den Wandel; es entstehen neue Bereiche bzw. neue Geschäftsfelder. Manche sehen es kritisch, andere nehmen es als Chance war. Persönlich sind mir die Chancen lieber! Zu diesen Zukunftsperspektiven gehört auf jeden Fall der Bereich der Mobilität.
In diesem Zusammenhang stellte ZF Friedrichshafen (kurz: ZF), einer der oben erwähnten Schweinfurter Weltkonzerne, vor ein paar Tagen den „People Mover“ der Öffentlichkeit vor. Dies konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Beim People Mover handelt es sich um einen autonomen Shuttle-Bus. Mit diesem wurde das übergeordnete Ziel verfolgt, ein flexibles und individualisiertes Transportkonzept zu schaffen, das beispielsweise die letzte Meile (= als letzte Meile wird in der Transportbranche der letzte Teil eines Transportes bezeichnet, also Haustür – (Bus-)Bahnhof oder (Bus-)Bahnhof – Haustür) ergänzt und so an bestehende öffentliche Verkehrsmittel andockt. Und das ganz unabhängig, ob im städtischen und/oder ländlichen Raum. So die Vision bzw. der Anspruch von ZF.
Versionen:
Den People Mover wird es zukünftig in verschiedenen Versionen geben und er kann sogar untereinander gekoppelt werden. D.h. am Bahnhof XY stehen mehrere Fahrzeuge und ähnlich der Bahn fahren diese eine Teilstrecke zusammen, um sich zwischendurch zu trennen, um in verschiedene Richtungen zu fahren. Denn auch auf weniger ausgelasteten Strecken kann er eine Option sein und das 24 Stunden und 7 Tage die Woche.
(Technische) Daten:
Das Fahrzeug kann in beide Richtungen fahren und benötigt daher keinen „Wendehammer“. Bei dem Group Rapid Transport (GTR) der dritten Generation – wie auf dem Bild oben zu sehen – ist in den technischen Daten ein Wendekreis von 15m angegeben. Dieser kann, muss aber nicht genutzt werden. Zudem können alle Räder gelenkt werden. So werden sehr präzise Fahrmanöver auf engstem Raum ermöglicht.
Der People Mover wird elektrisch angetrieben und hat aktuell eine Batteriekapazität von 36,8 kW/h. Mir wurde gesagt, dass die Reichweite bei 70km liegen soll. Das Shuttle gibt es in unterschiedlichen Varianten und zu dem GTR ist dazu noch nichts weiter bekannt bezüglich der tatsächlichen Reichweite. Was aber bekannt ist, dass insgesamt 22 Passagiere (davon sind 14 Stehplätze und 8 Sitzplätze) in dieser Version mitfahren können. Auch ein rollstuhlgerechter Zugang ist gewährleistet, ebenso wie eine Arretierung während der Fahrt. Dies ist notwendig, da Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h möglich sind. Andere Versionen sollen sogar bis zu 70 km/h schnell fahren können.
Geladen wird der People Mover entweder an den Haltestellen und/oder extra vorhandenen Schnellladesystemen abseits der gewöhnlichen Route. Ähnlich einem aktuellen Bus-Depot. Das Laden an sich erfolgt induktiv und/oder per CCS2-Stecker. Je nach Strecke und Dauer wird dies (vermutlich) ganz individuell angepasst. Ausgestattet mit verschiedenen Sensoren wie z.B. Radar, Kameras usw. inkl. Echtzeitübertragung zum Operator. Wobei für größere Datenmengen nicht das (5G-)Funknetz genutzt werden soll, laut Aussage des Herstellers. Dafür verbindet sich das Fahrzeug via Wlan am nächsten Haltepunkt mit dem Netz, wie die Übersichtsskizze zeigt.
Autonomes Fahren:
Übrigens ist autonomes Fahren nicht gleich autonomes Fahren. Es wird in verschiedene Level von 0 bis 5 unterschieden. So fährt der Fahrer bei Level 0 das Fahrzeug selbst. Auf diese klassische Version folgt Level 1 mit z.B. einem Abstandsregelautomatismus. Wobei hier nur ganz bestimme Assistenzsysteme unterstützen. Bei Level 2 ist dagegen eine Teilautomatisierung vorhanden, bei der mehrere Systeme gleichzeitig agieren können (so ganz grob gesagt), wie z.B. automatisiertes Einparken, Spur halten und und und. Bisher musste der Fahrer immer bereit zum Eingreifen sein. Bei Level 3 ändert sich dies. Der Fahrer muss nicht dauerhaft das System übernehmen und wird ggf. dazu aufgefordert einzugreifen. Bei Level 4 wird die Führung des Fahrzeugs dauerhaft vom System übernommen. Sollte das System hochkomplexe Aufgaben nicht mehr leisten können, kann (kein Zwang) der Fahrer aufgefordert werden zu übernehmen. Bis hierhin ist ein Fahrer immer zwingend notwendig. Das ändert sich bei Level 5. Hier ist ein Fahrer nicht mehr nötig bzw. wird nicht mehr gefordert. Start und Ziel (und/oder Route) wird festgelegt und der Rest macht das Fahrzeug allein. Beim People Mover liegt der Grad bei Level 4. Es ist kein Fahrer vorhanden, allerdings ein Operator. Dieser kann notfalls in das System eingreifen, außerdem sind auf der Fahrstrecke Magnete mit Lokalisierungstechnologie eingelassen.
Wie schon erwähnt, ist der People Mover vorrangig für die letzte Meile gedacht und als Ergänzung zum bereits bestehenden ÖPNV. Von einer längeren Strecke ist noch nicht die Rede. In einigen europäischen Städten wird er allerdings demnächst schon zu sehen bzw. nutzen sein, wie uns vor Ort erklärt wurde.
Dies wäre ein sehr schönes Vorzeige- und Prestigeobjekt für Schweinfurt, allerdings ist dies momentan noch nicht gewünscht bzw. mahlen die politischen Mühlen hier sehr (!) langsam. Schade – das hätte eine Chance sein können! Die Zukunft wird so oder so kommen und ich persönlich finde es superspannend!
Weitere Infos gibt es direkt bei FZ und zwar hier.
Unterfranken und sein öffentlicher Personennahverkehr
Die Mobilitätswende ist in aller Munde. Jedenfalls auf dem Papier bzw. in so manchem Imagebericht und Parteiprogramm. Der ÖPNV soll gestärkt, Autos möglicherweise ganz aus den Innenstädten verbannt werden oder – je nach Einstellung – dies auf gar keinen Fall und überhaupt scheint das Thema insgesamt sehr dramatisch. Die Forderungen sind verschieden, doch wie immer liegt die Lösung vermutlich in der goldenen Mitte.
„Verbietet doch endlich die Autos!“ habe ich sogar schon gelesen. Mit Verlaub, was ein Nonsens! Natürlich bin ich auch für eine zukunftsweisende Mobilitätswende und für Fortschritt, keine Frage. Um es vorwegzunehmen, da, wo es auch Sinn ergibt! Die Städte sind voll mit Fahrzeugen und auch hier in Schweinfurt wünsche ich mir weniger davon. Leider sieht das die konservative Verwaltung nicht ganz so und muss immer wieder zu mehr „Grün“ gedrängt werden. Zwar ist aktuell eine Koalition aus CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am Werk, aber von den Grünen hört/liest man leider recht wenig.
Auch vertreten einige (nicht alle) Einzelhändler die Meinung, dass mehr Parkplätze zu mehr Umsatz führen. Keine Ahnung, was das für ein Schluss ist, aber zu meckern geht insgesamt einfacher, als nach passenden Lösungen zu suchen.
Auf dem Land sieht die Lage mit Autos und Parkplätzen natürlich anders aus. Es ist genügend Platz für ein oder gleich mehrere Fahrzeuge vorhanden. Wenn ich an meine Zeit im Spessart zurückdenke, hatten wir teilweise vier Autos zu Hause. Lag daran, dass jeder zu einer anderen Zeit mobil sein musste – es war einfach normal. Der ÖPNV war damals schon unterirdisch. Als Beispiel: Am Vormittag gab es nur eine Verbindung in die 16 km entfernte (Klein-)Stadt und der Rückweg war schon schwierig(er), da es auch nur eine einzige Verbindung gab – allerdings um 15 Uhr rum. Am Wochenende war es schlichtweg unmöglich aus dem Dorf zu kommen. Dies ist heute ähnlich und es hat sich nicht wirklich viel geändert. Also ergibt die pauschale Aussage „Weg mit den Autos“ keinen Sinn. Weiter ausgeholt könnte man bei dieser Forderung im übertragenen Sinn sogar von einer Wettbewerbsverzerrung sprechen, da schließlich einige Dinge auf dem Land ohne Auto schlichtweg unmöglich wären bzw. sehr viel Zeit investiert werden müsste, um von A nach B zu kommen.

Jetzt könnte man sagen „Ausbau der Öffis!“. Als Gegenargument kommt dann wieder „Warum, wenn keiner die Öffis nutzt?“ – da sind wir wieder beim klassischen Henne-Ei-Problem. Die Kommunen sollen auf der einen Seite wirtschaftlich handeln, aber auf der anderen Seite müsste ohne Ende investiert werden. Die Meinungen gehen bei diesem Thema weit auseinander. Sorry, eine Lösung wird es von mir auch nicht geben. Ich denke, ein besserer Mobilitäts-Mix müsste angegangen werden, mehr ÖPVN, mehr Sharing-Angebote, Ladekapazitäten für Elektro, Fahrradwege-Ausbau in den Städten etc. pp.
Schauen wir uns einmal an, was der Regierungsbezirk Unterfranken im Jahr 2020 an finanziellen Mitteln in den Öffentlichen Personennahverkehr gesteckt hat. Das wohlgemerkt NUR in Unterfranken mit ca. 1,3 Millionen Einwohnern. Insgesamt wurde der ÖPNV hier mit 56,307 Millionen Euro gefördert (Quelle: Regierung von Unterfranken 2021). Zum Vergleich, im Vorjahr 2019 waren es rund 35 Millionen Euro. Also ein deutlicher Anstieg.
Gut, man muss bedenken, dass auch beim ÖPNV Corona eine Rolle gespielt hat bzw. spielt. Die Fahrgastzahlen gingen aus den unterschiedlichsten Gründen (keine Freizeitangebote, Homeoffice, Schulschließungen usw.) drastisch zurück. Nichtsdestotrotz wurde neben dieser Subvention in neue Fahrzeuge investiert. Insgesamt mussten die Zuständigen (dazu zählen auch die Stadtwerke usw.) gut 21,5 Millionen Euro netto ausgeben. Selbstverständlich gibt es Förderungen in diesem Bereich, aber wie bei Förderprogrammen üblich, werden die Kosten niemals zu 100% kompensiert <- sollte eigentlich klar sein, aber ich sage es sicherheitshalber nochmals dazu.
Mit einer Förderung von 6,816 Millionen Euro leistete die Regierung von Unterfranken ihren Teil dazu, insgesamt 90 Niederflurbusse anzuschaffen. 19 davon werden mit Hybridtechnologie betrieben und 2 weitere Fahrzeuge rein elektrisch. Dies ist Teil der Erneuerung der Fahrzeugflotte, die zukünftig emissionsärmer sein soll als „die alten“. Davon profitieren wiederum auch Fahrgäste mit behinderungs- oder altersbedingten Einschränkungen der Mobilität und Fahrgästen mit Kinderwagen.
In Würzburg, Sitz der unterfränkischen Regierung, gibt es zudem eine Straßenbahn, die in den nächsten Jahren verstärkt gefördert wird. Als Schweinfurter mag man Würzburg offiziell nicht. Das ist quasi wie die Rivalität zwischen Düsseldorf und Köln, Mainz und Wiesbaden oder Nürnberg und Fürth. Also sehen wir die Förderung natürlich skeptisch, können es aber leider nicht ändern. ;) In den kommenden Jahren werden in dieser Stadt mit dem amtlichen Kennzeichen WÜ (= „wir üben“) die Straßenbahngelenktriebwägen in barrierefreie Varianten getauscht. Dies wird insgesamt mit 19,25 Millionen Euro gefördert. Im Jahre 2020 wurden bereits 5,5 Millionen Euro ausgezahlt.
Und nicht zu vergessen, muss die Schülerbeförderung in Unterfranken finanziert werden. Für den Verkauf vergünstigter Zeitfahrkarten an Schüler, Studenten und Auszubildende entstehen den Verkehrsunternehmen regelmäßig Mindereinnahmen. Diese werden teilweise vom Freistaat Bayern ausgeglichen. In Summe erhielten die Unternehmen dafür 11,994 Millionen Euro. Hier stellt sich die Frage, ob die Förderung auch den Schülern bzw. Fahrgästen zugutekommt. Es könnte theoretisch sein, dass die Busunternehmen die Förderung einstecken, aber dennoch wenig(er) Busse einsetzen, um dadurch den Gewinn zu erhöhen. Auf dem Papier finden mit Sicherheit Kontrollen statt, aber wie sieht es in der Praxis aus?
Dies sind nur ein paar konkrete Beispiele zur finanziellen Förderung des ÖPNV in unserem Regierungsbezirk und spiegelt nicht die ganze Fördersumme wider. Natürlich ist Luft nach oben, versteht sich von selbst. Doch es ist zumindest ein Schritt, um den ÖPNV zu stabilisieren. Wünschenswert ist ein stetiger Ausbau. Sei es auf den einzelnen Strecken, aber zugleich auch mit attraktiveren Möglichkeiten wie automatische oder flexiblere Abrechnung, weitere Zusammenführung der Verkehrsverbünde etc. Als Kunde würde ich z. B. gerne mit meinem e-Ticket in Schweinfurt mit dem Bus fahren, aber zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht auch mal in Aschaffenburg (um einmal in Unterfranken zu bleiben). Es gibt einen Verkehrsverbund Mainfranken, aber leider sind hier (noch) nicht alle Landkreise mit im Boot.
Anyway, 56,307 Millionen Euro sind eine Menge Geld, keine Frage. Leider ist diese Summe auch so hoch, weil in der Vergangenheit vielleicht nicht ausreichend investiert wurde. Aber das steht wieder auf einem anderen Blatt und persönlich bin ich froh, dass überhaupt in einem so großen Umfang gefördert wird.
Wie schaut es bei Euch aus? Seid Ihr mit „Eurem“ ÖPNV zufrieden?
Update für das Jahr 2022:
Mittlerweile haben wir 2023 und die Regierung von Unterfranken hat neue Zahlen zum ÖPNV für das vergangene Jahr, also 2022, veröffentlicht. Eine Rekordsumme von 74,546 Millionen Euro wurde in die Hand genommen, unter anderem für Investitionen in neue Fahrzeuge, verbilligte Schülerfahrkarten und ÖPNV-Infrastrukturmaßnahmen. Natürlich spielte die Corona-Pandemie eine Rolle. Wie sieht es im Einzelnen aus? Mit 6,516 Millionen Euro wurden insgesamt 78 neue Niederflurlinienbusse gefördert. 6 Fahrzeuge wurden mit Hybridtechnologie (warum auch immer) beschafft. 10 weitere Fahrzeuge werden rein elektrisch betrieben. Wichtiger Punkt: Alle Fahrzeuge erfüllen die Anforderungen der Barrierefreiheit!
Würzburg bekommt (wenn’s unbedingt sein muss) auch etwas davon ab. Ihr müsst wissen, dass Schweinfurt und Würzburg ein ähnliches Verhältnis haben wie Köln und Düsseldorf. Deshalb das „wenn’s sein muss“. Für die Neubeschaffung von insgesamt 18 barrierefreien Straßenbahngelenktriebwägen bekamen die Würzburger im Jahr 2022 insgesamt 2,4 Millionen Euro (Gesamtfördersumme liegt bei 20,150 Millionen Euro).
Eine weitere Säule der Förderung ist die Schülerbeförderung in Unterfranken. Die Mindereinnahmen für die Verkehrsbetriebe wurden in einer Höhe von 11,695 Millionen Euro übernommen.
Natürlich gibt es noch weitere Förderungen z.B. zu Studien und anderen Dingen. Diese fallen in meinen Augen nicht so ins Gewicht und dienen eher den internen Abläufen. Was noch erwähnenswert ist, ist der Ausgleich für die Mindereinnahmen des 9-Euro-Tickets von Juni bis August 2022. Dieser belief sich auf 9,759 Millionen Euro.
Ob die Höhe der Förderung auch ohne Corona so hoch ausgefallen wäre? Anyway, es tut sich wenigstens etwas, auch wenn mit Sicherheit noch viel mehr drin ist. <- so aus dem Bauch heraus gesprochen.