2024 startete eine neue Schöffenperiode. Insgesamt dauern diese fünf Jahre und bekanntermaßen kann man sich darauf freiwillig bewerben (was ich im Jahr 2023 getan habe) oder man wird einfach bestimmt. Ende 2023 erhielt ich einen Brief, dass ich in der neuen Periode als Ersatzschöffe am Amtsgericht eingesetzt werde. Das heißt wiederum, auch für die gesamten fünf Jahre bleibe ich Ersatzschöffe am Amtsgericht. Anders als im Landgericht gibt es dort „nur“ eine Kammer, in welcher Schöffen eingesetzt werden. Das sogenannte „Schöffengericht“. Hier erfolgt die Besetzung, wie in der Berufungskammer am Landgericht, durch einen Berufsrichter und zwei Schöffen. In diesem Schöffengericht werden Fälle zwischen 2 und 4 Jahren Straferwartung verhandelt. Alles darunter ist auch dem Amtsgericht zugeordnet, allerdings ohne Schöffen. Alles darüber ist dem Landgericht zugeordnet. So ganz grob und laienhaft gesagt.
Nun war es wieder einmal an der Zeit für einen Einsatz als Schöffe. Anders als im Amt als Hauptschöffe bekommt man als Ersatzschöffe keine festen Verhandlungstermine im Voraus mitgeteilt. Sollte ein Hauptschöffe ausfallen oder ein außerplanmäßiger Termin wird angesetzt, so werden Ersatzschöffen eingesetzt. In dieser Periode wurden mehr Schöffen bzw. Ersatzschöffen einberufen, so dass ich noch nicht wirklich mit einem Einsatz in diesem Jahr rechnete. Sondern eher auf das letzte bzw. vielleicht noch das vorletzte Jahr in meiner Periode fokussierte. Umso mehr war ich überrascht, als ein Anruf aus dem Amtsgericht kam, ob ich an einem Termin im November teilnehmen kann. Theoretisch muss ich nicht gefragt werden, deswegen fand ich genau diesen Umstand sehr gut. Der erste Fall war auf den Nachmittag terminiert. Ein paar Tage später kam noch ein weiterer Anruf, ob ich vielleicht auch schon am Vormittag zu einem weiteren Termin kann. Die Ladung für beide Termine kam anschließend per Mail. So ist die Vorgehensweise am Amtsgericht in Schweinfurt. Wie dies an anderen Gerichten aussieht, kann ich nicht sagen.
Fall 1:
Vor ein paar Tagen war es so weit, die erste Verhandlung in dieser Periode stand an. Doch bevor diese starten konnte, wurden mein neuer Mitschöffe und ich vereidigt. Auch wenn dies bereits in der vergangenen Periode geschehen ist, wird trotzdem neu vereidigt. Ist einfach so. Und zudem auch kein Beinbruch. Nach dem geschworenen Eid begann der Staatsanwalt mit der Anklageschrift. Der Angeklagte sollte gewerbsmäßig Drogen (Haschisch) an Minderjährige verkauft haben. So die verkürzte Ausführung. Dies wurde von Polizeibeamten beobachtet und zudem mit Hilfe von Kameras dokumentiert. Dass dies (Drogenverkauf) der Fall war, war nach dem Anhören der Zeugen eindeutig. Ebenso war dem Gericht schnell klar, dass es sich um einen Verkauf an Minderjährige handelte. Da der Angeklagte (wie sich herausstellte), in Frankfurt Drogen gekauft hatte, mit dem Zug nach Schweinfurt kam, um sie weiterzuverkaufen und eine weitere Zeugin ihn kannte, ging das Gericht davon aus, dass es sich um einen gewerbsmäßigen Verkauf handelte. Zudem war er auf Bewährung unterwegs. Die Verteidigung plädierte auf 3 Monate auf Bewährung, da sie keinen gewerbsmäßigen Handel sah. Im Gegenzug sah die Staatsanwaltschaft die Gewerbsmäßigkeit und plädierte auf 2 Jahre und 6 Monate (ohne Bewährung). Schlussendlich kam das Gericht zu dem Entschluss, dass es sich um gewerbsmäßigen Handel und Verkauf von Drogen an Minderjährige handelte und somit eine Strafe von 2 Jahren und 4 Monaten aussprach. Ob es für den Angeklagten eine Lehre sein wird, wage ich fast zu bezweifeln. Nicht umsonst war er bereits auf Bewährung und wurde erneut bei einer Straftat erwischt.
Fall 2:
Grundsätzlich handelte es sich im zweiten Fall des Tages um „Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, doch es war etwas komplizierter. Ein Zeuge sitzt bereits in Haft und hat einen Brief mit Hinweisen zu Straftaten verschickt. Dieser wurde entdeckt und daraufhin begann die Ermittlung. Ein weiterer Zeuge diente als Kronzeuge (bedeutet, dass er eine Aussage macht, um selbst eine mildere Strafe zu bekommen). Es soll in diesem Fall um Geld und Drogen gegangen sein. Bei der Hausdurchsuchung vom Angeklagten wurde nichts gefunden und so musste sich das Gericht nur auf die Aussagen der Zeugen beziehen. Diese wurden gehört und es stellte sich heraus, dass die Sache gewaltig stinkt. Aber nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung (beide forderten einen Freispruch), entschied das Gericht schlussendlich ebenfalls auf einen Freispruch. Auch wenn der Staatsanwalt einen Freispruch im Plädoyer forderte (aus Mangel an Beweisen), hätte das Gericht durchaus ein anderes Urteil aussprechen können. Will sagen, dass es nicht automatisch zum Freispruch hätte kommen müssen. Aber in diesem Fall war es nun mal so.
Natürlich kann ich die Fälle hier nur verkürzt darstellen. Wer sich für das Thema interessiert, dem kann ich einen Besuch in einer öffentlichen Sitzung empfehlen. Solche Aussagen wie „Was, der hat einen Freispruch bekommen?!“ oder „Wie, nur 2 Jahre?! Den hätte ich für immer weggesperrt!“ sind Stammtischparolen von Personen, die vermutlich noch nie einen Gerichtssaal von innen gesehen haben und/oder die Strafprozessordnung nicht verstehen bzw. verstehen wollen.
Das waren sie, meine ersten Verhandlungen am Amtsgericht und nun bin ich gespannt, wann die nächste Verhandlung ansteht.
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